Pannir Selvam Pranthaman ist ein 37 Jahre alter malaysischer Staatsbürger, der zurzeit in Singapur in der Todeszelle sitzt. Er wurde 2017 im Alter von 29 Jahren wegen des Schmuggels von 51,84 g Diamorphin (Heroin) nach Singapur festgenommen und des Drogenhandels schuldig gesprochen, eine Straftat, für die in Singapur die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben ist. Jetzt droht ihm erneut die Hinrichtung.
Die Todesstrafe in seinem Fall wurde, wie bei mehreren anderen zum Tode Verurteilten in Singapur, unter Verstoß gegen internationale Menschenrechtsstandards angewendet, was seine Hinrichtung rechtswidrig und willkürlich machen würde.
Am 15. Februar 2025 erfuhr Amnesty International, dass sein Gnadengesuch abgelehnt worden und zum zweiten Mal ein Hinrichtungsbefehl ergangen war. Demnach sollte das Todesurteil gegen Pannir Selvam Pranthaman in den frühen Morgenstunden des 20. Februar 2025 in Singapur am Galgen vollstreckt werden. Am Abend des 19. Februar 2025 wurde seine Exekution buchstäblich in letzter Minute ausgesetzt, nachdem das Berufungsgericht dem Antrag auf Überprüfung seines Falls stattgegeben hatte. Die Berufungsverhandlung von Pannir Selvam Pranthaman wurde für den 7. Mai 2025 angesetzt. Sollte sein Rechtsmittel am 7. Mai abgelehnt werden, könnte Pannir Selvam Pranthaman zum dritten Mal unmittelbar die Hinrichtung drohen.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe in jeder Form und ausnahmslos ab. In seinem Fall kritisiert die Organisation zusätzlich drei gravierende Menschenrechtsverletzungen. Das Völkerrecht und internationale Standards sehen Beschränkungen für die Anwendung der Todesstrafe vor, um einen willkürlichen Entzug des Lebens zu verhindern. Dazu gehört das Verbot, die Todesstrafe für Straftaten anzuwenden, die nicht in die Kategorie der „schwersten Verbrechen“ fallen. „Schwerste Verbrechen“ werden gemeinhin als vorsätzliche Tötungsdelikte definiert. Mehrere UN-Gremien, darunter der Internationale Suchtstoffkontrollrat, haben wiederholt betont, dass drogenbezogene Vergehen diesen Standard nicht erfüllen.
Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Anwendung der obligatorischen Todesstrafe, die Richterinnen und Richtern keinen Ermessensspielraum lässt, um die besonderen Umstände einer Straftat oder den Hintergrund einer verurteilten Person zu berücksichtigen (mildernde Umstände). Wird eine Person in Singapur mit einer Menge Drogen angetroffen, die über der im Gesetz genau definierten Menge liegt, so muss zwingend das Todesurteil ergehen. Dies verstößt ebenfalls gegen internationale Menschenrechtsstandards, da es dem Angeklagten das Recht auf ein faires Verfahren entzieht. Ein obligatorisches Todesurteil verletzt zudem das Prinzip der Gewaltenteilung, da der Richterschaft praktisch die Entscheidung über das Strafmaß vorenthalten wird.
Pannir Selvam Pranthaman wurde nach dem „Gesetz über den Missbrauch von Drogen“ verurteilt. Der Schuldspruch gegen ihn beruht auf der Vermutung, dass er von den Drogen gewusst hat. Das Gesetz über Drogenmissbrauch erlaubt es der Staatsanwaltschaft, auf solche Rechtsvermutungen zurückzugreifen. Damit wird die Beweislast auf die angeklagte Person übertragen, die die Schuldvermutung nach dem rechtlichen Standard der „Abwägung der Wahrscheinlichkeiten“ widerlegen muss. Schuldvermutungen untergraben die Garantien für ein faires Gerichtsverfahren nach internationalen Menschenrechtsnormen und verletzen das Recht auf Unschuldsvermutung, das eine zwingende Norm des Völkergewohnheitsrechts ist. Die Todesstrafe darf jedoch nicht in Prozessen angewendet werden, die nicht den höchsten Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen.
Das Gericht befand, dass sich die Rolle des Angeklagten lediglich auf den Transport von Drogen beschränkte („Kurier“). Nach den 2013 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes über den Drogenmissbrauch verfügen die Richter*innen in Singapur über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Strafzumessung in solchen Fällen. Dies greift aber nur, wenn die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Person bescheinigt, dass sie sich intensiv für die Zerschlagung des Drogenhandels eingesetzt hat, oder bei Personen mit geistigen oder intellektuellen Einschränkungen, dass diese keine Verantwortung für ihre Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der verhandelten Straftat übernehmen können. Dadurch wird die Entscheidung über die Verurteilung in der Praxis der Staatsanwaltschaft übertragen. Da die Staatsanwaltschaft im Fall von Pannir Selvam Pranthaman keine entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat, hatte das Gericht bei seiner Verurteilung keinen Ermessensspielraum mehr. Dies ist eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren, da es die Entscheidung über Leben oder Tod in die Hände einer Person legt, die keine neutrale Prozesspartei ist und keine derartigen Befugnisse haben sollte. Außerdem untergräbt es die Unabhängigkeit der Justiz, indem es die Trennung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht aufhebt, und verstößt gegen den Grundsatz der „Waffengleichheit“, dem zufolge Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor Gericht die gleichen Befugnisse haben sollten.
In höchstem Maße besorgniserregend ist die hohe Zahl der Hinrichtungen, die in den vergangenen Monaten in dem Stadtstaat Singapur zu verzeichnen waren: Allein seit Anfang Oktober 2024 wurden zwölf Männer gehängt. Dies steht im Widerspruch zum weltweiten Trend weg von dieser grausamen Strafe und dem allgemeinen Rückgang der Hinrichtungen in Singapur in den Vorjahren. Singapur ist eines von nur vier Ländern weltweit, in denen in den vergangenen Jahren Hinrichtungen wegen Drogendelikten vollzogen wurden. Diese außerordentlich harte Drogenpolitik hat nicht dazu beigetragen, den Konsum und die Verfügbarkeit von Drogen im Land zu bekämpfen, und bietet auch keinen wirksamen Schutz vor drogenbedingten Todesfällen oder anderen Suchtfolgen.
Parallel zu den Hinrichtungen beobachten Menschenrechtsorganisationen eine zunehmende Repression gegen Aktivist*innen in Singapur. Seit Anfang Oktober wurden mehrfach Anordnungen zur Korrektur „falscher Informationen“ gemäß dem „Protection from Online Falsehoods and Manipulation Act“ (POFMA) gegen Todesstrafengegner verhängt. Diese Zensurmaßnahmen zielen darauf ab, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und eine offene Debatte über die Todesstrafe zu unterdrücken.
Was kannst du tun?
Bitte versuche, die Hinrichtung von Pannir Selvam Pranthaman zu stoppen. Die Regierung von Singapur muss das Todesurteil gegen den jungen Malaysier umwandeln und als ersten entscheidenden Schritt unverzüglich ein verbindliches Hinrichtungsmoratorium erlassen.
Richte deinen Appell an den Premierminister Singapurs und schicke eine Kopie an die Botschaft der Republik Singapur in Berlin.
Du kannst dein Schreiben per Brief, Fax oder mit deinem eigenen E-Mail-Programm versenden. Eine Eilaktion mit Briefentwurf auf Deutsch oder auf Englisch sowie die Appelladressen findest du hier https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/singapur-berufungsverfahren-koennte-hinrichtung-verhindern-2025-04-24
Mehr dazu:
- Dieser Link führt zu einer Online-Petition auf Englisch, die Amnesty Malaysia veröffentlicht hat: https://www.amnesty.my/2024/10/10/give-pannir-a-second-chance/
- Ein aktueller Artikel, der auf einem Interview mit Pannirs Schwester Angelia basiert, ist hier nachzulesen https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2024/11/my-brother-is-at-risk-of-imminent-execution-but-i-wont-stop-campaigning-until-his-conviction-is-quashed/
- Eine Erklärung von Amnesty International zum Fall Pannir Selvam Pranthaman anlässlich einer Pressekonferenz im malaysischen Parlament findest du [hier].