Globale Hinrichtungszahlen erreichen 2024 alarmierend hohen Stand

Amnesty International beobachtet seit vielen Jahren die weltweite Anwendung der Todesstrafe. Einmal im Jahr zieht die Organisation Bilanz und veröffentlicht die Erkenntnisse in einem Bericht. Und wie stets ergibt sich ein gemischtes Bild: Licht und noch immer viel zu viel Schatten. Dennoch gibt es Grund zur Zuversicht, dass wir unser Ziel erreichen können: Eine Welt ohne Todesstrafe.

Wie ist diese Bilanz einzuordnen?

Die globalen Hinrichtungszahlen erreichten 2024 einen alarmierend hohen Stand und waren so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Organisation 1.518 bekannt gewordene Hinrichtungen. Dies stellt einen Anstieg um knapp 32 Prozent gegenüber den 1.153 Exekutionen des Jahres 2023 dar. Diese Zunahme ist in erster Linie auf diesbezüglich steigende Zahlen in drei Ländern des Nahen Ostens zurückzuführen: Irak, Iran und Saudi-Arabien. In Irak hat sich die Zahl der bekannten Hinrichtungen binnen Jahresfrist vervierfacht auf mindestens 63. In Iran haben die Behörden mindestens 972 Menschen hingerichtet, was einem Anstieg um 14 Prozent gegenüber den 853 vollstreckten Todesurteilen des Jahres 2023 entspricht. Die saudi-arabischen Behörden verdoppelten die Zahl der vollstreckten Todesurteile auf mindestens 345 im Vergleich zum Vorjahr. China unberücksichtigt machen die ruchbar gewordenen Hinrichtungen in Irak, Iran und Saudi-Arabien 91 Prozent der weltweit aufgezeichneten Hinrichtungen aus, wobei 64 Prozent allein auf Iran entfallen.

Eine höhere Hinrichtungsbilanz in 2024 gegenüber dem Vorjahr registrierte Amnesty International auch in den folgenden Ländern: Ägypten, Jemen und Singapur.

Die gesamten Exekutionen des Jahres 2024 gehen auf das Konto einiger weniger Staaten. Die Zahl der Länder, in denen die Todesstrafe vollstreckt wurde, ist deutlich zurückgegangen, und zwar von 20 im Jahr 2022 auf zuletzt 15 im Jahr 2024. Diese jüngsten Entwicklungen bestätigen, dass die Anwendung der Todesstrafe einer immer weiter schrumpfenden Gruppe von Ländern vorbehalten ist. Die Länder mit den höchsten bekannt gewordenen Hinrichtungszahlen sind China, Iran, Saudi-Arabien, Irak und Jemen – in dieser Reihenfolge.

Die Einstufung der Todesstrafe als Staatsgeheimnis und der Einsatz anderer restriktiver Praktiken in China, Nordkorea und Vietnam sowie in anderen Staaten beeinträchtigten jedoch weiterhin die Möglichkeit, das Ausmaß der Hinrichtungen präzise bewerten zu können.

Amnesty International registrierte 2.087 neue Todesurteile im Jahr 2024, ein Rückgang um 14 Prozent gegenüber den 2.428 bekannt gewordenen Todesurteilen des Jahres 2023. 46 Staaten ließen im vergangenen Jahr Personen zum Tode verurteilen, sechs weniger als noch 2023 (52). Im Vergleich zu 2023 gab es 2024 einen signifikanten Anstieg der Zahl der neu verhängten Todesurteile in den folgenden Ländern: Demokratischen Republik Kongo, Indien, Irak, Jemen, Mauretanien, Niger und Tunesien. Zum Jahresende 2024 befanden sich rund um den Erdball mindestens 28.085 zum Tode verurteilte Menschen in den Todeszellen der Gefängnisse, davon allein 11.667 (42 Prozent) in der asiatisch-pazifischen Region.

Wenn es um die Todesstrafe geht, herrscht häufig Intransparenz

Die von Amnesty International erstellte Bilanz muss unvollständig bleiben, weil in etlichen Ländern der Zugang zu Informationen über die Todesstrafe eingeschränkt oder gar unterbunden ist. So beinhalten die bekannt gewordenen Gesamtzahlen beispielsweise nicht die zahlreichen Menschen, von denen angenommen wird, dass sie in der Volksrepublik China, Nordkorea und Vietnam zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Gerade von China wird gemutmaßt, dass das Land – nach wie vor – die Position des weltweit führenden „Henkerstaats“ einnimmt. Daher handelt es sich bei den Zahlenangaben von Amnesty International über die Todesstrafe in einer beträchtlichen Anzahl von Ländern lediglich um Mindestwerte, die erfasst wurden. Die tatsächlichen Gesamtzahlen liegen mit großer Wahrscheinlichkeit höher. Da die Verfügbarkeit von Informationen über Todesurteile und Hinrichtungen in einigen Ländern stark schwankt, ist es methodisch schwierig, die Gesamtzahlen von Jahr zu Jahr zu vergleichen.

Lange Liste der Schrecklichkeiten begleiten die Todesstrafe

Die Anwendung der Todesstrafe ging auch im Jahr 2024 einher mit Verletzungen internationaler Rechtsvorschriften. So gab es vereinzelt öffentliche Hinrichtungen. Die Todesstrafe traf zur Tatzeit Minderjährige (unter 18-Jährige) und Menschen mit geistigen oder intellektuellen Behinderungen. Obwohl es bei der Todesstrafe ums Ganze geht, wurden in mehreren Ländern Todesurteile nach Gerichtsverfahren verhängt, die internationalen Standards für ein faires Verfahren nicht entsprachen. Von einem unfairen Verfahren spricht man, wenn beispielsweise Angeklagte ohne Anwalt vor Gericht gestellt werden oder ihnen rechtliche Hilfe verweigert wird. „Geständnisse“, die durch Folter oder andere Misshandlungen erzwungen worden waren, wurden verwendet, um Menschen schuldig zu sprechen und zum Tode zu verurteilen. Manchmal ergingen Todesurteile in Abwesenheit, also ohne, dass die angeklagte Person im Gerichtsverfahren anwesend war. Auch ohne solide Beweislage verurteilten Gerichte Menschen zum Tode. Militärgerichte verhängten bisweilen gegen Zivilisten Todesurteile.

Die Todesstrafe wurde neben Mord auch für Verbrechen verhängt und vollstreckt, die nicht mit einer vorsätzlichen Tötung einhergingen und die daher nicht die Schwelle der „schwersten Verbrechen“ erreichen, eine Grenze, die das internationale Recht setzt. Besonders häufig wurden Drogendelikte mit der Todesstrafe geahndet. Die Gesamtzahl von 637 Hinrichtungen im Zusammenhang mit Betäubungsmittelstraftaten machte 42 Prozent aller weltweit erfassten Hinrichtungen des Jahres 2024 aus und bedeutete einen Anstieg um 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2023 (508). Fälle, in denen minderschwere Delikte mit dem Tod bestraft werden, sind gleichbedeutend mit willkürlichen Tötungen, kritisieren Expert*innen der Vereinten Nationen.

Ferner beobachtete Amnesty International, dass die Todesstrafe auch im Jahr 2024 in einigen Ländern ein gängiges Instrument darstellte, das von mehreren Regierungen eingesetzt wurde, um die eigene Bevölkerung zu kontrollieren und abweichende Meinungen zu unterdrücken.

Lichtblicke im Jahr 2024

Zweifellos hat sich auch im Jahr 2024 die Welt weiter von der Todesstrafe entfernt und nur eine Minderheit von Ländern – die zunehmend isoliert sind – wendet die Strafe weiter aktiv an.

Die Welt erzielte bemerkenswerte Fortschritte in Richtung Abschaffung der Todessstrafe. In Simbabwe wurde die Todesstrafe für gewöhnliche Straftaten gestrichen. Malaysia gab die zwingende Todesstrafe auf und anschließende neue Gerichtsverfahren zur Strafzumessung haben dazu geführt, dass die Zahl der von Hinrichtung bedrohten Menschen um mehr als 1.000 gesunken ist. Im Dezember 2024 stimmten zum ersten Mal mehr als zwei Drittel aller UN-Mitgliedstaaten der zehnten Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu, die ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe fordert. Die Unterstützung für diese Resolution ist seit der Annahme der ersten Entschließung dieser Art im Jahr 2007 kontinuierlich gestiegen, was zeigt, dass die Staaten der Ablehnung der Todesstrafe als rechtmäßige Strafe gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen immer näher kommen.

145 Staaten und damit fast drei Viertel aller Länder weltweit haben die Todesstrafe mittlerweile per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. 54 Staaten halten noch an ihr fest.

Dagegen

Amnesty International ist entschieden gegen die Todesstrafe und spricht sich unter allen Umständen und ohne Ausnahme dagegen aus, da sie eine grausame und erniedrigende Strafe ist, die keineswegs in besonderer Weise abschreckend auf kriminelles Verhalten wirkt und die eine inakzeptable Verweigerung der menschlichen Würde und Integrität darstellt. Die Todesstrafe ist in ihrem Kern eine durch nichts zu rechtfertigende Menschenrechtsverletzung. Deshalb setzt sich die Organisation seit mehr als 40 Jahren für zum Tode Verurteilte ein und fordert eine Welt ohne Todesstrafe.

Mehr zum Thema:

Mehr zum Thema Todesstrafe findest auf [www.amnesty.de]

♦ Pressemitteilung [deutsch]

♦ Hinrichtungen & Todesurteile 2024 – Bericht [deutsch] [englisch] ¦ Zahlen & Fakten [deutsch]

♦ Hinrichtungen & Todesurteile 2024 – Weitere Materialien [Karte]

♦ Staaten mit und ohne Todesstrafe [Karte] ¦ [Länderliste]

♦ Interaktive Karte zur Todesstrafe weltweit 2011 – 2024 (englisch) [Karte]