Rocky Myers ist ein afroamerikanischer Mann mit einer geistigen Behinderung. Er sitzt seit mehr als drei Jahrzehnten wegen Mordes in der Todeszelle im US-Bundesstaat Alabama.
Eine überwiegend weiße Jury hatte Rocky für schuldig befunden, empfahl aber eine lebenslange Haftstrafe. Der Richter überstimmte die Geschworenen und verurteilte Rocky zum Tode – eine Praxis, die inzwischen in Alabama untersagt ist.
Was war geschehen?
Eines Nachts im Jahr 1991 war eine ältere weiße Frau in einem überwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel ermordet worden. Rocky wohnte auf der anderen Straßenseite. Obwohl keine eindeutigen Beweise vorlagen, die ihn direkt mit der Tat in Verbindung brachten, wurde er für dieses Verbrechen zum Tode verurteilt. Amnesty International hatte sich lange für den jetzt 63-Jährigen eingesetzt – unter anderem im Rahmen des Briefmarathons 2023.
Zentrale Zeugenaussagen gegen Rocky Myers weisen Ungereimtheiten auf. Es gibt Berichte, die Aussagen seien unter Druck der Polizei gemacht worden. Ein Hauptbelastungszeuge erklärte später, er habe gelogen. Sein Strafprozess war begleitet von schwerwiegende Verfahrensmängeln.
Der Oberste Gerichtshof der USA befand, dass Angeklagte mit geistigen Behinderungen „einem besonderen Risiko einer unrechtmäßigen Hinrichtung ausgesetzt sind“. Dies trifft zweifellos auch auf Rocky Myers zu. Von seinem Anwalt im Stich gelassen, verpasste er Fristen, um Rechtsmittel einzulegen. Umso erfreulicher ist, dass die Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey, Rocky Myers am 28. Februar 2025 begnadigte. Doch sein Kampf und der seiner Familie für Gerechtigkeit ist damit noch nicht vorbei, denn die Gouverneurin konnte sich nur dazu entschließen, sein Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit der Begnadigung umzuwandeln. Aber zumindest verhinderte dieser Schritt die drohende Hinrichtung.
Das Risiko der Hinrichtung Unschuldiger
Ein Sprecher von Amnesty International in Alabama sagte: „Das US-amerikanische Strafrechtssystem ist furchtbar fehlerhaft und diskriminierend, und der Fall von Rocky Myers ist ein Sinnbild für viele dieser Mängel. Wir fordern Gouverneurin Ivey auf, alle weiteren Hinrichtungen im Bundesstaat auszusetzen und die Fälle der mehr als zwei Dutzend Personen, die wie Rocky Myers weiterhin in der Todeszelle sitzen, überprüfen zu lassen.” Im Jahr 2024 sind in Alabama sechs Todesurteile vollstreckt worden, 2025 bereits schon wieder eines.
Der Fall Rocky Meyers wirft auch ein Schlaglicht auf ein gefährliches Risiko, das mit der Todesstrafe verknüpft ist: Ein einmal vollstrecktes Todesurteil lässt sich nicht rückgängig machen, sollten nachträglich Zweifel an der Schuld eines Täters / einer Täterin aufkommen.
Myers hat also viel Glück gehabt, dass die Strafumwandlung sein unmittelbar bevorstehende Hinrichtung nun abgewendet hat. Denn Rocky Meyers ist kein Einzelfall: Seit 1973 mussten 30 US-Bundesstaaten 200 Menschen wegen erwiesener Unschuld oder erheblicher Zweifel an ihrer Schuld aus den Todeszellen entlassen. Einige Gefangene standen nach jahrzehntelanger Haft kurz vor ihrer Exekution. Nicht wenige dieser Fehlurteile gehen auf eine mangelhafte Verteidigung und Verfehlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zurück.
Die Todesstrafe hat in den USA nach wie vor Konjunktur
In den USA, die seit dem Ende der Corona-Pandemie bedauerlicherweise einen stetigen Aufwärtstrend bei den Hinrichtungen verzeichnen, wurden 25 Menschen im vergangenen Jahr exekutiert (im Jahr 2023 waren es 24). Im 16. Jahr in Folge blieben die USA somit das einzige Land in ganz Nord- und Südamerika, das Menschen hinrichtete.
Der neu gewählte Präsident Donald Trump bezeichnete die Todesstrafe wiederholt als geeignetes Instrument, um Menschen vor „brutalen Vergewaltigern, Mördern und Monstern“ zu schützen und versprach, diese Strafe „energisch zu verfolgen“. Seine entmenschlichenden Äußerungen stricken weiter an dem Märchen, dass die Todesstrafe eine einzigartige abschreckende Wirkung bei Verbrechen habe. Das ist falsch. Die Todesstrafe verhindert keine Verbrechen. Erfreulicherweise hatten bis Ende 2024 23 der 50 US-Bundesstaaten diese Strafe für alle Verbrechen abgeschafft.
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