Singapur: Eilaktion für Malaysier, der in Gefahr ist, hingerichtet zu werden

Pannir Selvam Pranthaman ist ein 37 Jahre alter malaysischer Staatsbürger, der zurzeit in Singapur in der Todeszelle sitzt. Er wurde 2017 wegen des Schmuggels von 51,84 g Diamorphin (Heroin) nach Singapur festgenommen und des Drogenhandels schuldig gesprochen, eine Straftat, für die in Singapur die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben ist. Seine Verurteilung zum Tode verstößt wie bei vielen anderen, gegen die ebenfalls das Todesurteil ergangen ist, gegen internationale Menschenrechtsnormen und -standards, und seine Hinrichtung wäre rechtswidrig und willkürlich. Am 15. Februar 2025 erfuhr Amnesty International, dass sein Gnadengesuch abgelehnt worden und ein Hinrichtungsbefehl ergangen war. Demnach sollte das Todesurteil gegen Pannir Selvam Pranthaman in den frühen Morgenstunden des 20. Februar 2025 in Singapur am Galgen vollstreckt werden. Inzwischen wurde jedoch bei einem Berufungsgericht ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Hinrichtung eingereicht. Nach einer Anhörung am 19. Februar 2025 untersagte dieses Gericht den Vollzug der Todesstrafe bis auf Weiteres, um eine umfassendere Berufung einlegen zu können https://x.com/AmnestyMy/status/1892233963801866503 .

Amnesty International lehnt die Todesstrafe in jeder Form und ausnahmslos ab. In seinem Fall kritisiert die Organisation zusätzlich drei gravierende Menschenrechtsverletzungen. Laut internationalem Recht dürfen Todesstrafen nur für die „schwersten Verbrechen“ verhängt werden, die gemeinhin als vorsätzliche Tötungen definiert werden. Mehrere UN-Gremien, darunter der Internationale Suchtstoffkontrollrat, haben wiederholt betont, dass drogenbezogene Vergehen diesen Standard nicht erfüllen.

Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Anwendung der obligatorischen Todesstrafe, die Richterinnen und Richtern keinen Ermessensspielraum lässt, um die besonderen Umstände einer Straftat oder den Hintergrund einer verurteilten Person zu berücksichtigen (mildernde Umstände). Wird eine Person in Singapur mit einer Menge Drogen angetroffen, die über der im Gesetz genau definierten Menge liegt, so muss zwingend das Todesurteil ergehen. Dies verstößt ebenfalls gegen internationale Menschenrechtsstandards, da es dem Angeklagten das Recht auf ein faires Verfahren entzieht. Ein obligatorisches Todesurteil verletzt zudem das Prinzip der Gewaltenteilung, da der Richterschaft praktisch die Entscheidung über das Strafmaß vorenthalten wird.

Pannir Selvam Pranthaman wurde nach dem „Gesetz über den Missbrauch von Drogen“ verurteilt. In diesem Fall wird die Beweislast auf den Angeklagten verlagert. Er muss dem Gericht beweisen, dass ihm beispielsweise die Drogen untergeschoben wurden. Dies verstößt gegen das Recht auf Unschuldsvermutung – eine zwingende Norm des Völkergewohnheitsrechts – und andere Garantien für ein faires Verfahren, wonach die Beweislast für die Anklage bei der Staatsanwaltschaft liegt.

Das Gericht befand, dass sich die Rolle des Angeklagten lediglich auf den Transport von Drogen beschränkte (“Kurier”). Nach den 2013 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes über den Drogenmissbrauch verfügen die Richter*innen in Singapur über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Strafzumessung in solchen Fällen. Dies greift aber nur, wenn die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Person bescheinigt, dass sie sich intensiv für die Zerschlagung des Drogenhandels eingesetzt hat, oder bei Personen mit geistigen oder intellektuellen Einschränkungen, die keine Verantwortung für ihre Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der verhandelten Straftat übernehmen können. Dadurch wird die Entscheidung über die Verurteilung in der Praxis der Staatsanwaltschaft übertragen. Da die Staatsanwaltschaft im Fall von Pannir Selvam Pranthaman keine entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat, hatte das Gericht bei seiner Verurteilung keinen Ermessensspielraum mehr. Dies ist eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren, da es die Entscheidung über Leben oder Tod in die Hände einer Person legt, die keine neutrale Partei im Prozess ist und keine derartigen Befugnisse haben sollte. Außerdem untergräbt es die Unabhängigkeit der Justiz, indem es die Trennung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht aufhebt, und verstößt gegen den Grundsatz der “Waffengleichheit”, dem zufolge Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor Gericht die gleichen Befugnisse haben sollten.

In dem Stadtstaat Singapur wurden im Jahr 2023 insgesamt fünf Todesurteile vollstreckt und mindestens sechs verhängt, alle wegen Rauschgiftkriminalität. Im Jahr 2024 haben acht Exekutionen stattgefunden, sieben davon wegen Drogendelikten. Nach einem kurzen Hinrichtungsstopp im Dezember 2024 sind seit Jahresbeginn 2025 bereits wieder zwei, möglicherweise sogar drei Exekutionen erfolgt. Singapur ist eines von nur fünf Ländern, die 2023 Hinrichtungen wegen Drogendelikten vollzogen haben. Die äußerst drakonische Gesetzgebung in Singapur konnte weder den Drogenkonsum und die Verfügbarkeit von Drogen im Land bekämpfen noch vor drogenbedingten Folgeschäden schützen.

Parallel zu den Hinrichtungen beobachten Menschenrechtsorganisationen eine zunehmende Repression gegen Aktivist*innen in Singapur. Seit Anfang Oktober wurden mehrfach Anordnungen zur Korrektur „falscher Informationen“ gemäß dem „Protection from Online Falsehoods and Manipulation Act“ (POFMA) gegen Todesstrafengegner verhängt. Diese Zensurmaßnahmen zielen darauf ab, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und eine offene Debatte über die Todesstrafe zu unterdrücken.

Was kannst du tun?

Die Regierung von Singapur muss das Todesurteil gegen Pannir Selvam Pranthaman umwandeln und als ersten entscheidenden Schritt unverzüglich ein verbindliches Hinrichtungsmoratorium erlassen.

3. März 2025