In Iran wird die Todesstrafe zunehmend gegen verfolgte ethnische Minderheiten eingesetzt. Die iranischen Behörden haben seit Anfang des Jahres mindestens einen Ahwazi-Araber, 14 Kurden und 13 Belutschen nach grob unfairen Verfahren hingerichtet und mindestens ein Dutzend weiterer Personen aus ethnischen Minderheiten zum Tode verurteilt. Dies stellt eine erschreckende Eskalation bei der Anwendung der Todesstrafe als Repressionsinstrument gegen ethnische Minderheiten dar, so Amnesty International und das Abdorrahman Boroumand Center.
Nach Recherchen des Abdorrahman Boroumand Centers, einer iranischen Menschenrechtsorganisation, und von Amnesty International haben die Behörden allein im Januar und Februar 2023 mindestens 94 Menschen exekutiert und dabei schreckliche sexuelle Gewalt und andere Foltermethoden angewandt. Insgesamt bedeutet dies einen deutlichen Anstieg der Zahl der Hinrichtungen im Vergleich zum Vorjahr.
„Die iranischen Behörden führen Hinrichtungen in einem erschreckenden Ausmaß durch. Ihr Vorgehen ist ein Angriff auf das Recht auf Leben und ein schamloser Versuch, nicht nur ethnische Minderheiten weiter zu unterdrücken, sondern auch Angst zu verbreiten, dass abweichende Meinungen mit brutaler Gewalt beantwortet werden, entweder auf der Straße oder am Galgen“, sagt Roya Boroumand, Geschäftsführerin des Abdorrahman Boroumand Centers.
Exekutionen nach unfairen Gerichtsverfahren und Folter
Ende Februar haben iranische Beamte einen Ahwazi-Araber und einen Kurden nach grob unfairen Gerichtsverfahren heimlich hingerichtet. Darüber hinaus haben die Behörden in den letzten Wochen mindestens sechs weitere Ahwazi-Araber und sechs Belutschen zum Tode verurteilt, von denen einige im Zusammenhang mit den Protesten verurteilt wurden, die den Iran seit September 2022 erschüttert haben.
Am 20. Februar 2023 wurde Hassan Abyat, ein Ahwazi-Araber, im Gefängnis von Sepidar in der Provinz Khuzestan hingerichtet, während Arash (Sarkawt) Ahmadi, ein Kurde, am 22. Februar 2023 im Gefängnis von Dizel Abad in der Provinz Kermanshah exekutiert wurde. Informierte Quellen berichteten Amnesty International, dass beide Männer nach ihrer Verhaftung von Verhörbeamten gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, um sie zu „Geständnissen“ zu zwingen. Ihre erzwungenen „Geständnisse“ wurden in den staatlichen Medien ausgestrahlt, was gegen das Recht auf Unschuldsvermutung verstößt und einen Versuch der Behörden darstellt, sie zu diffamieren und ihre Hinrichtung zu rechtfertigen. Außerdem wurde ihnen der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert und sie wurden im Geheimen hingerichtet, ohne dass ihre Familien besucht oder benachrichtigt wurden.
Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für die Region Naher Osten und Nordafrika von Amnesty International, übt scharfe Kritik: „Es ist erschütternd, dass Hinrichtungen routinemäßig stattfinden, während systematisch durch Folter erpresste „Geständnisse“ verwendet werden, um Angeklagte in grob unfairen Prozessen zu verurteilen.“
Hassan Abyat wurde zweimal zum Tode verurteilt, einmal von einem Revolutionsgericht wegen „Feindschaft gegen Gott“ (moharebeh) und einmal von einem Strafgericht wegen Mordes (ghesas), und zwar im Zusammenhang mit dem Tod eines Agenten der paramilitärischen Basij-Truppe im Jahr 2011 und der angeblichen Mitgliedschaft in einer „Oppositionsgruppe“. Hassan Abyat hatte jegliche Beteiligung am Tod des Agenten bestritten. Nach seiner Festnahme fesselten die Vernehmungsbeamten Hassan Abyat an ein spezielles Folterbett, schlugen ihn mit Kabeln und verabreichten ihm Elektroschocks an den Hoden, so ein Zeuge, der Amnesty International auch berichtete, dass Hassan Abyat von der Folter Narben am Körper zurückbehalten hat. Das Gericht verurteilte ihn, ohne die Foltervorwürfe zu prüfen.
Arash (Sarkawt) Ahmadi, der im Januar 2021 verhaftet wurde, wurde wegen „Feindschaft gegen Gott“ (moharebeh) im Zusammenhang mit seiner früheren Mitgliedschaft in einer verbotenen iranisch-kurdischen Oppositionsgruppe und dem Tod eines Mitglieds der Sicherheitskräfte zum Tode verurteilt. Nach Angaben kurdischer Menschenrechtsaktivisten wurde er von Verhörbeamten der Revolutionsgarden unter Folter und anderen Misshandlungen zu „Geständnissen“ gezwungen.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe in allen Fällen ohne Ausnahme ab. Die Todesstrafe stellt eine Verletzung des Rechts auf Leben dar und ist die ultimative grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe.
Nach internationalem Recht stellt die Verhängung der Todesstrafe nach einem unfairen Prozess eine willkürliche Entziehung des Rechts auf Leben dar.
Zum Tode verurteilte Ahwazi-Araber und Baluchi-Männer
In den letzten Wochen wurden mindestens 12 Angehörige der ethnischen Minderheiten der Ahwazi-Araber und Belutschen nach grob unfairen Verfahren zum Tode verurteilt.
Am 14. Februar 2023 wurde sechs arabischen Ahwazi-Männern – Ali Mojadam, Moein Khanfari, Mohammad Reza Mojadam, Seyed Salem Mousavi, Seyed Adnan Mousavi und Habib Deris – mitgeteilt, dass sie nach einem Gruppenprozess vor einem Revolutionsgericht in Ahvaz wegen „Feindschaft gegen Gott“” (moharebeh) und wegen angeblicher „Mitgliedschaft in illegalen Gruppen“ zum Tode verurteilt worden waren. Der Fall geht auf das Jahr 2017 zurück. Menschenrechtsaktivisten der Ahwazi-Araber berichten, dass auch in diesem Fall die durch Folter erpressten „Geständnisse“ zur Verurteilung der Angeklagten herangezogen wurden.
Zwischen Dezember 2022 und Januar 2023 wurden mindestens sechs junge Männer aus der Minderheit der Belutschen in getrennten Verfahren zum Tode verurteilt, die im Zusammenhang mit Protesten in der Provinz Sistan und Belutschistan im September 2022 stattfanden. Shoeib Mirbaluchzehi Rigi, Kambiz Khorout, Ebrahim Narouie, Mansour Hout, Nezamoddin Hout und Mansour Dahmaredeh, der eine körperliche Behinderung hat, wurden wegen „Verbreitung von Korruption auf der Erde“ (efsad-e fel arz) und / oder „Feindschaft gegen Gott“ (moharebeh) zum Tode verurteilt, weil sie Brandstiftung begangen und Steine geworfen hatten. Das internationale Recht verbietet die Anwendung der Todesstrafe für Straftaten, die nicht die Schwelle der „schwersten Verbrechen“ erreichen, die eine vorsätzliche Tötung beinhalten.
Nach Angaben von Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, wurden die Männer bei den Verhören gefoltert und anderweitig misshandelt, einschließlich sexueller Gewalt, um sie zu „Geständnissen“ zu zwingen. Sie stachen Nadeln in die Genitalien von Ebrahim Narouie und schlugen Mansour Dahmardeh so heftig, dass sie ihm Zähne und Nase brachen, so die Quellen.
Von den 28 Angehörigen von Minderheiten, die im Jahr 2023 hingerichtet wurden, wurden 19 wegen Drogendelikten verurteilt, sieben wegen Mordes und zwei wegen zu weit gefasster und vage formulierter Anklagen wegen „Verbreitung von Korruption auf der Erde“ (efsad-e fel arz) und/oder „Feindschaft gegen Gott“ (moharebeh), die nicht dem Legalitätsprinzip entsprechen.
Amnesty-Direktorin Diana Eltahawy verlangt: „Die Welt muss jetzt handeln und Druck auf die iranischen Behörden ausüben, damit sie ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen einführen, ungerechte Verurteilungen und Todesurteile aufheben und alle Anklagen im Zusammenhang mit der friedlichen Teilnahme an Protesten fallen lassen. Wir fordern außerdem alle Staaten auf, die universelle Gerichtsbarkeit über alle iranischen Amtsträger auszuüben, die im begründeten Verdacht stehen, für Verbrechen nach internationalem Recht und andere schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein.“
Was kannst du tun?
Vier junge Männer aus der unterdrückten belutschischen Minderheit in Iran sind im Zusammenhang mit ihrer friedlichen Teilnahme an Protesten unmittelbar von der Hinrichtung bedroht. Werde aktiv und fordere, die Schuldsprüche und Todesurteile aufzuheben.
[Hier] findest du einen Briefentwurf. Du kannst deinen Brief auf Deutsch oder in Englisch ausdrucken, um ihn per Post oder Fax an die Adressaten zu senden, oder ihn direkt über dein eigenes E-Mail-Programm verschicken. Unter dem Link findest du auch ausführliche Hintergrundinformationen.
Mehr dazu
Die englischsprachige Original-Pressemitteilung finden Sie hier: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/03/iran-chilling-execution-spree-with-escalating-use-of-death-penalty-against-persecuted-ethnic-minorities/