Iran: LGBTI-Aktivistin droht Hinrichtung

Photo of LGBTI Rights Defender Zahra Sedighi Hamadani

Die iranischen LGBTI-Aktivistinnen Zahra Sedighi-Hamadani (Foto) und Elham Choubdar wurden wegen „Ver dorbenheit auf Erden“ zum Tode verurteilt. Gründe für die Verurteilung der Frauen sind ihre tat-sächliche oder vermeintliche sexuelle Orientierung und / oder ihre Geschlechtsidentität sowie ihre Akti-vitäten zur Unterstützung von LGBTI-Gemeinschaften in den Sozialen Medien.

Die 31-jährige Zahra Sedighi-Hamadani, bekannt unter dem Namen Sareh, und die 24-jährige Elham Choubdar wurden Anfang August 2022 vom Islamischen Revolutionsgericht in Urmia wegen der „För-derung der Verdorbenheit auf Erden“ zum Tode verurteilt. Am 4. September 2022 gab die iranische Staatsanwaltschaft dann bekannt, dass die beiden Frauen aufgrund ihrer Verbindung zum „Schmuggel von Frauen und Mädchen“ verurteilt worden sind. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Geheimdienst der Revolutionsgarden in der Provinz West-Aserbaidschan eine Stellungnahme, die von den staatlichen Medien weit verbreitet wurde. Hierhin wird behauptet, dass der mutmaßliche Schmuggel der Korruption und der Unterstützung von homosexuellen Gruppen diene. Nach Auffassung von Amnesty International sind diese Vorwürfe falsch und haltlos und haben ihre Ursache in der tatsächlichen oder angenommen sexuellen Orientierung und / oder Geschlechtsidentität der beiden Frauen sowie ihre Verbindungen zu iranischen LGBTI-Geflüchteten.

Sachlage

„Ihr sollt wissen, wie viel Druck wir Mitglieder der LGBTI-Community erdulden. Wir riskieren unser Leben für unsere Gefühle, aber so finden wir zu uns selbst… Ich hoffe, dass der Tag kommen wird, an dem wir alle frei in unserem Land leben können… Jetzt reise ich der Freiheit entgegen. Ich hoffe, dass ich wohlbehalten ankommen werde. Sollte ich es schaffen, werde ich mich weiter für LGBTI-Personen einsetzen. Ich werde hinter ihnen stehen und meine Stimme für sie erheben. Falls ich es nicht schaffe, werde ich mein Leben dafür gegeben haben.“ (Zahra Sedighi-Hamadani, kurz vor ihrer Festnahme)

Am 27. Oktober 2021 nahmen die Revolutionsgarden Sareh nahe der iranisch-türkischen Grenze fest, als sie versuchte, ohne offizielle Erlaubnis in die Türkei einzureisen, um internationalen Schutz zu su-chen. Nach ihrer Festnahme war sie 53 Tage lang „verschwunden“. Anschließend stellte sich heraus, dass die Revolutionsgarden sie in Einzelhaft in einer Haftanstalt in Urmia festgehalten hatten. Sie be-richtete, dass sie in diesem Zeitraum intensiven Verhören durch einen Angehörigen der Revolutionsgar-de ausgesetzt war, der sie außerdem aufgrund ihrer Identität und Erscheinung beleidigte und be-schimpfte. Er drohte ihr sogar damit, sie hinzurichten oder sie anderweitig zu verletzen und ihr das Sorgerecht für ihre zwei kleinen Kinder zu entziehen. Diese Handlungen verletzen das uneingeschränkte Verbot der Folter und anderer Misshandlungen.

Am 30. Dezember 2021 übernahmen Mitglieder des Geheimdienstes der Revolutionsgarden Zahra Sedighi-Hamadanis Telegramkanal, welcher ungefähr 1.200 Abonnent*innen hatte. Sie änderten ihr Profilbild zum Logo des Geheimdienstes und veröffentlichten folgende Nachricht: „Der Schutz von Familienwerten ist die rote Linie der unbekannten Soldaten des Imam Zaman (Name für „al-Mahdi“, den letzten der Zwölf Imame und der im schiitischen Glauben erwartete Erlöser) für den Geheimdienst der Revolutionsgarden.“

Am 16. Januar 2022 wurde Zahra Sedighi-Hamadani der Ermittlungsleitung der Abteilung 6 der Revo-lutionsstaatsanwaltschaft in Urmia vorgeführt. Diese informierte sie darüber, dass sie wegen der „För-derung von Verdorbenheit auf Erden“ angeklagt sei. Unter diesen Anklagepunkt fällt die „Förderung von Homosexualität“, die „Kommunikation mit Medien der Gegner der Islamischen Republik Iran“ sowie die „Förderung des Christentums“. Die ersten beiden Vorwürfe basieren auf ihrer Verteidigung von LGBTI-Rechten in der Öffentlichkeit, wie z. B. über die Sozialen Medien und mittels eines Auftritts in einer BBC-Dokumentation über Menschenrechtsverstöße, denen LGBTI-Personen in der irakischen Re-gion Kurdistan ausgesetzt sind. Diese wurde im Mai 2021 ausgestrahlt. Laut Informationen, die Am-nesty International vorliegen, bezieht sich der dritte Vorwurf darauf, dass sie eine Halskette mit einem Kreuzanhänger trug und vor einigen Jahren eine Hauskirche besuchte. Um eine offizielle Anklageschrift zu erstellen, ist ihr Fall an die Revolutionsstaatsanwaltschaft in Urmia übergeben worden.

Hintergrund iranisches Recht

Gender-nonkonforme Personen in Iran riskieren eine Kriminalisierung, sofern sie keine Änderung des Geschlechtseintrags in ihren Ausweisdokumenten anstreben; eine Prozedur, die eine operative Ge-schlechtsangleichung und Zwangssterilisierung vorschreibt. Gender-nonkonforme Personen, die das ihnen bei der Geburt zugeteilte Geschlecht nicht ändern können oder wollen, oder nicht zwischen den binären Geschlechtskategorien Mann und Frau wählen wollen oder können, werden diskriminiert. Die Diskriminierung geschieht in Bereichen wie dem Zugang zu Bildung, innerhalb des Arbeitsmarkts, der Gesundheitsversorgung und den öffentlichen Dienstleistungen, denn das System der Islamischen Re-publik Iran setzt die Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit sehr konsequent durch. Dazu gehören auch strikte Kleidungsvorschriften.

Das iranische Islamische Strafgesetzbuch aus dem Jahr 2013 beinhaltet eine Vielzahl an Vorschriften, die einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Minderjährigen und auch zwischen Erwachsenen des gleichen Geschlechts kriminalisieren. Sie werden mit Körperstrafen, wie z. B. Prügelstrafen, die der Folter gleichkommen, und der Todesstrafe geahndet.

Mehr dazu

[Link] zur Eilaktion

8. Oktober 2022