Belarus weitet die Todesstrafe aus

Die belarussischen Behörden haben ein neues Gesetz verabschiedet, das die Todesstrafe für „versuchte terroristische Akte“ einführt. Diese Gesetzesinitiative ist der ultimative Angriff auf die Menschenrechte.

Marie Struthers, Direktorin von Amnesty International für Osteuropa und Zentralasien, sagt: „Belarus ist der einzige Staat in Europa und Zentralasien, der noch immer die Todesstrafe anwendet, die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Strafe. Dieses Gesetz, das gegen die internationalen Verpflichtungen von Belarus verstößt, weitet den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf Handlungen aus, die nicht als vorsätzliche Tötung gelten. Die belarussischen Behörden demonstrieren damit einmal mehr ihre tiefgreifende Missachtung der Menschenrechte.

Es ist besonders alarmierend, wenn man bedenkt, dass die belarussischen Behörden eine gefährlich vage Definition von ‚Terrorismus‘ haben und dass Anklagen im Zusammenhang mit Terrorismus dazu verwendet werden, um politische Auseinandersetzungen juristisch zu verfolgen. Die Behörden haben friedlichen Protest und freie Meinungsäußerung systematisch mit Gewaltverbrechen gleichgesetzt. Dieses Gesetz ist ein erschreckendes Signal dafür, dass die Behörden ihre Unterdrückung verstärken und den Einsatz auf tödliche neue Höhen heben.“

„Inmitten eines erstickend repressiven politischen Klimas in Belarus droht Regierungsgegnern jetzt, erschossen zu werden, wenn sie es wagen, sich zu äußern“, mahnt Amnesty-Direktorin Marie Struthers.

Amnesty International appelliert an Belarus, die Todesstrafe, diese grausame, unmenschliche und erniedrigende Bestrafung, ein für alle Mal aufzugeben und die beschämende Kampagne zur Verfolgung politischer Gegner*innen und Menschenrechtsaktivist*innen einzustellen.

Was war geschehen?

Am 18. Mai 2022 erteilte Präsident Alexander Lukaschenko dem neuen Gesetz, das die Todesstrafe für „versuchte Terrorakte“ einführt, seine Zustimmung. Das Gesetz tritt 10 Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft. Das Gesetz hatte zuvor am 29. April das belarussische Parlament im Eilverfahren passiert. Es ist vermutlich eine Reaktion auf die jüngsten Sabotagevorfälle im Eisenbahnnetz des Landes. Solche Attacken wurden Berichten zufolge von Gegner*innen der russischen Invasion in der Ukraine als verdeckte Taktik eingesetzt, um zu verhindern, dass in Weißrussland stationierte russische Streitkräfte die Grenze überqueren.

Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Viasna wurden bereits Dutzende politische Aktivist*innen wegen „versuchten Terrorismus“ angeklagt. Unter ihnen ist Swetlana Tichanowskaja, die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin und Gegenkandidatin von Alexander Lukaschenko bei den vielumstrittenen Präsidentschaftswahlen des Jahres 2020.

Derzeit wird die Todesstrafe in Weißrussland normalerweise für vorsätzlichen Mord unter erschwerenden Umständen verhängt, ist aber für insgesamt 13 Straftatbestände zulässig, so auch als eine mögliche gesetzliche Strafe für terroristische Akte mit Todesfolge. Nun kommt der Versuch, einen Terroranschlag zu verüben, als ein weiteres todeswürdiges Delikt hinzu. Die Todesstrafe wird in Belarus vor dem Hintergrund eines mit Mängeln behafteten Justizsystems angewendet, ihr Einsatz ist als Staatsgeheimnis eingestuft und ihr Vollzug per Genickschuss von strikter Verheimlichung umgeben. Nicht einmal der Begräbnisort des oder der Exekutierten wird den Angehörigen mitgeteilt.

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20. Mai 2022