Nach mehr als zweijähriger Unterbrechung hat Singapur wieder damit begonnen, Todesurteile zu vollstrecken. Am Morgen des 30. März 2022 exekutierten die Behörden Abdul Kahar bin Othman. Das Todesurteil wurde – wie in Singapur üblich – durch den Strang vollstreckt. Der 68 Jahre alte Mann war 2015 wegen Drogenhandels zur zwingend vorgeschriebenen Todesstrafe verurteilt worden. Der Stadt- und Inselstaat ist für seine drakonischen Gesetze zur Drogenbekämpfung bekannt.
Beschämende Wiederaufnahme von Hinrichtungen
Von einem „empörenden Verstoß gegen das Völkerrecht“ spricht Rachel Chhoa-Howard, Südostasien-Expertin bei Amnesty International, und kommentiert dazu:
„Es gibt überwältigende Beweise, dass rigorose Maßnahmen zur Drogenbekämpfung, einschließlich der Verhängung der Todesstrafe für Drogenkonsum und -besitz, keine Probleme im Zusammenhang mit Drogen lösen. Die Regierung von Singapur sollte sich auf evidenzbasierte und gemeinschaftsbasierte Ansätze konzentrieren, die auf der Achtung der öffentlichen Gesundheit und der Menschenrechte beruhen, um Drogenabhängigkeit und andere gesellschaftliche Schäden, die sich aus dem Drogenkonsum ergeben können, abzuwenden.
Singapur befindet sich mit der Anwendung der Todesstrafe nicht im Einklang mit dem weltweiten Trend zu deren Abschaffung, und das Land ist eines unter einer Handvoll Staaten, die immer noch Menschen, die wegen Drogendelikten verurteilt wurden, hinrichten. Nach einer kurzen Unterbrechung ohne Hinrichtungen in Singapur appellieren wir an die Behörden, eine befürchtete neue Welle an Exekutionen durch den Strang zu stoppen. Auch muss die Regierung dringend ein offizielles Moratorium für sämtliche Hinrichtungen einführen und den Anwendungsbereich der Todesstrafe für Straftaten im Zusammenhang mit Drogen überprüfen, als erste Schritte hin zu ihrer vollständigen Abschaffung.“
Weitere Hinrichtungen drohen
Die Hinrichtung Abdul Kahar bin Othmans erfolgte nur einen Tag, nachdem ein Gericht in Singapur das Todesurteil gegen den malaysischen Staatsangehörigen Nagaenthran Dharmalingam aufrechterhalten hatte, obwohl medizinische Gutachter ihm eine intellektuelle Beeinträchtigung bescheinigten. Nachdem dessen Rechtsmittel nun ausgeschöpft sind, könnte er innerhalb von Tagen hingerichtet werden. Gegen Nagaenthran Dharmalingam war während des ersten Corona-Lockdowns – ebenfalls wegen eines Drogenvergehens – via Zoom-Schalte das Todesurteil ergangen.
Internationale Menschenrechtsnormen und -standards verbieten die Verhängung der Todesstrafe wegen Straften im Zusammenhang mit Drogen und ihre obligatorische Anwendung generell, unabhängig von der begangenen Straftat. Alle, deren Hinrichtung seit Ende 2021 in Singapur angesetzt wurde, waren wegen Drogendelikten zwingend zum Tode verurteilt worden. Singapur gehört zu den mehr als 30 Ländern weltweit, in denen Drogenvergehen immer noch mit der Todesstrafe geahndet werden.
Für eine Welt ohne Todesstrafe
Amnesty International wendet sich in allen Fällen und unter allen Umständen ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Bislang haben mehr als zwei Drittel aller Staaten die Todesstrafe in Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.