Vom 4. Februar bis zum 13. März 2022 finden die Olympischen Winterspiele und anschließend die Paralympischen Winterspiele in Peking statt. Damit steht die Volksrepublik China im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland nehmen seit Jahren zu. Zu nennen sind die Einschränkung der Meinungsfreiheit, willkürliche Verhaftungen, staatliche Repression, Überwachung und Unterdrückung. Besonders empörend ist das Kapitel Todesstrafe. Für Amnesty steht bereits fest: Kein Gold für die Menschenrechte in China!
China vollstreckt wohl die meisten Todesurteile
In China gelten Informationen über verhängte und vollstreckte Todesurteile als Staatsgeheimnis und über die nur eingeschränkte Daten zur Verfügung gestellt werden. Amnesty geht davon aus, dass die Volksrepublik China jährlich mehr Menschen hinrichtet als jedes andere Land der Welt. Mit Tausenden verhängten und vollstreckten Todesurteilen pro Jahr liegt China mit beträchtlichem Abstand vor Ländern wie Iran, Ägypten, Irak und Saudi-Arabien, die ebenfalls zum harten Kern der Staaten gehören, die exzessiv von der Todesstrafe Gebrauch machen. Auch die Dui Hua-Stiftung, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in den USA, die sich die Förderung der Menschenrechte in China zur Aufgabe gemacht hat, schätzt, dass in jedem Jahr tausende Personen hingerichtet werden und stützt sich dabei auf Zahlen, die sie von örtlichen Beamten erhalten hat. Wahrscheinlich ist es jedoch ab dem Jahr 2007 zu einem merklichen Rückgang an Hinrichtungen gekommen, nachdem der Oberste Volksgerichtshof wieder die Aufgabe übernahm, alle Todesurteile in letzter Instanz zu überprüfen, eine Aufgabe, die er seit 1982 nicht mehr wahrgenommen hatte.
Im Jahr 2009 stellte Amnesty International die Veröffentlichung ihrer geschätzten Zahlen zur Anwendung der Todesstrafe in China ein. Diese Entscheidung spiegelte Bedenken darüber wider, dass die Zahlen, die zu China ermittelt werden konnten, aufgrund der Beschränkungen des Zugangs zu Informationen deutlich unter der Realität lagen. Amnesty International fordert von den chinesischen Behörden, Informationen über das wahre Ausmaß der Anwendung der Todesstrafe im Land nicht zu verschleiern, sondern öffentlich zu machen. Die Organisation verlangt von den Behörden, ihre Behauptung, die Anwendung der Todesstrafe reduziert zu haben, zu beweisen, indem sie offizielle Statistiken vorlegen.
Fast 50 “todeswürdige” Tatbestände
In China können derzeit 46 Straftatbestände mit dem Tode geahndet werden. Die Bandbreite reicht von Mord, Geiselnahme und Vergewaltigung über „konterrevolutionäre“ Aktivitäten wie Verschwörung zum Sturz der Regierung und Verrat von Staatsgeheimnissen über Wirtschaftsdelikte wie Steuerhinterziehung, Korruption und Unterschlagung bis hin zu anderen Vergehen, bei denen keine Gewalt angewendet wurde wie Zuhälterei und Drogendelikte. Etliche Straftatbestände fallen nicht in die Kategorie „schwerste Verbrechen“ und liegen somit unterhalb der Schwelle, die das internationale Recht und internationale Standards für die Verhängung der Todesstrafe setzen. Von der Todesstrafe sind zur Tatzeit unter 18-Jährige und zum Zeitpunkt ihres Gerichtsverfahrens Schwangere sowie generell über 75-Jährige ausgenommen. Im Jahr 2020 wurde bekannt, dass Verbrechen im Zusammenhang mit der Prävention und Bekämpfung der Covid-19-Epidemie schwer bestraft werde können, einschließlich der Todesstrafe.
Von einer unabhängigen Rechtsprechung noch weit entfernt
In China gibt es keine Begnadigungsverfahren für verurteilte Gefangene, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Das Justizwesen ist durch unfaire Prozesse sowie Folter und andere Misshandlungen in der Haft gekennzeichnet. Im Februar 2019 betonte Präsident Xi Jinping, die Justiz habe sich der absoluten Führung der Kommunistischen Partei Chinas unterzuordnen. Die Strafverfolgung und das Justizwesen bleiben weitgehend unter der Kontrolle der Partei.
Todesurteile werden durch Erschießen oder mittels Giftspritze nicht öffentlich vollstreckt. Berüchtigt waren in früheren Jahren öffentliche Massenhinrichtungen, die in großen Stadien nicht nur von Tausenden von Zuschauern begleitet, sondern auch im Staatsfernsehen übertragen wurden. Seit Anfang März 2003 pendeln Hinrichtungsfahrzeuge (umgebaute Kleinbusse) zwischen den Gerichten der Provinzen, um Todeskandidaten mit der Giftspritze „effizienter“ und „Kosten sparender“ hinrichten zu können. Amnesty liegen auch Berichte vor, wonach Hingerichtete bis in das Jahr 2015 hinein nach der Exekution als Organspendende herangezogen wurden – und das ohne Einverständnis.
Forderung
Amnesty International fordert die chinesischen Behörden mit Nachdruck auf, ihre drakonischen Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung zu überdenken und andere wirksame Schritte im Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen zur Sicherstellung von Recht und Ordnung einzuleiten, und zwar ohne Rückgriff auf die Todesstrafe. Erste willkommene Schritte wären, die Anzahl der Straftaten, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, zu reduzieren, faire Gerichtsverfahren zu gewährleisten, mehr Transparenz bei der Anwendung der Todesstrafe walten zu lassen und weitere Maßnahmen einzuleiten mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen.
Mehr dazu
[Hier] erfährst du mehr über die Todesstrafe im Land der Mitte.