Iran: Todesurteil gegen Jugendlichen aufgehoben

Mohammad Reza Haddadi ist ein junger Mann. Er sitzt seit 2004 in Iran im Todestrakt. Er war wegen seiner angeblichen Beteiligung an einem Mord, begangen im Jahr 2003, zum Tode verurteilt worden, obwohl er zum Tatzeitpunkt erst 15 Jahre alt war. Er hatte den Mord in Verhören zunächst gestanden, sein Geständnis jedoch während der Verhandlung vor einem Strafgericht in Kazeroun in der Provinz Fars widerrufen. Er gab an, die Verantwortung für den Mord übernommen zu haben, weil seine zwei Mitangeklagten angeboten hatten, seiner Familie Geld zu geben, wenn er dies täte. Seine Mitangeklagten stützten später seine Unschuldsbekundung und zogen ihre Aussagen, die Mohammad Reza Haddadi belasteten, zurück. Beide Mitbeklagten waren zum Tatzeitpunkt volljährig und erhielten Gefängnisstrafen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte im Juli 2005 das Todesurteil gegen Mohammad Reza Haddadi. Mohammad Reza Haddadi musste psychische Folter ertragen. Im Oktober 2008 wurde ein erster Hinrichtungstermin angesetzt, die Vollstreckung jedoch ausgesetzt. In den Folgejahren erging mindestens sechsmal ein Hinrichtungsbefehl gegen ihn, ohne dass es zum Vollzug der Todesstrafe kam. Zur Vorbereitung auf die bevorstehende Exekution wurde er stets in die „Quarantänestation“ des Gefängnisses verlegt.

Mohammad Reza Haddadi ist einer von knapp 100 weiteren Häftlingen, die in Iran wegen mutmaßlicher Verbrechen zum Tode verurteilt wurden, die sie vor dem 18. Lebensjahr begangen haben sollen.

Was sagt das Völkerrecht?

Das Völkerrecht untersagt ausdrücklich die Hinrichtung von zum Tatzeitpunkt minderjährigen Straftäterinnen und Straftätern, namentlich Artikel 6(5) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, deren Vertragsstaat Iran ist. Das Land hat sich also verpflichtet, zum Tatzeitpunkt minderjährige straffällige Personen nicht zum Tode zu verurteilen. Im Laufe des Jahres 2021 verzeichnete Amnesty International die Exekution von drei zur Tatzeit Jugendlichen. Oft werden weder ihre Eltern noch ihr Anwalt zuvor über die bevorstehende Hinrichtung in Kenntnis gesetzt, obwohl das iranische Recht eine Benachrichtigung 48 Stunden vorher vorschreibt.

In Iran haben Personen, die wegen Mordes verurteilt sind, nicht das Recht, den Staat um Gnade oder Umwandlung der Strafe zu ersuchen, obwohl Artikel 6(4) des IPBPR dieses Recht garantiert. Die Familie des Opfers hat das Recht, auf eine Hinrichtung zu bestehen, oder den Täter zu begnadigen und eine finanzielle Wiedergutmachung (diyeh) zu erhalten.

Die unerwartete Kehrtwende

Am 14. Februar 2022 erfuhr Amnesty International, dass die erste Kammer des Obersten Gerichtshofs Irans nach einer gerichtlichen Überprüfung das Todesurteil gegen Mohammad Reza Haddadi aufgehoben hat. Amnesty hofft, dass Mohammad Reza Haddadi nach 18 Jahren Haft im Todestrakt bald aus dem Gefängnis entlassen wird. Seit 2008 hatte sich die Organisation für ihn eingesetzt.

Forderung

Amnesty International begrüßt diese Nachricht, bekräftigt aber nachdrücklich ihre Forderung, dass die iranischen Behörden die Todesstrafe für jugendliche Straftäterinnen und Straftäter im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes unverzüglich abschaffen muss. Kein Land hat mutmaßlich seit 1990 mehr Jugendliche hingerichtet als Iran. Von Januar 2005 bis Ende 2020 hat Amnesty International 94 Fälle in Iran dokumentiert, in denen zur Tatzeit Minderjährige hingerichtet wurden. Die tatsächliche Anzahl liegt wahrscheinlich viel höher, da viele Todesstrafenfälle vermutlich unbemerkt bleiben.

Mehr dazu

Amnesty-Bericht „Aufwachsen in der Todeszelle – Die Todesstrafe und jugendliche Straftäter in Iran“ [klick hier]

19. Februar 2022