Am 10. Oktober, dem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, macht Amnesty International auf die Situation von zum Tode verurteilten Frauen aufmerksam. Obgleich weltweit nur ein kleiner Prozentsatz der Todesurteile gegen Frauen gerichtet ist, haben viele von ihnen vor ihrer Verurteilung lange körperliche und sexualisierte Gewalt erlebt und nie Gerechtigkeit erfahren. Oftmals war dieser Missbrauch der Auslöser für eine Straftat, die später zum Todesurteil für die Betroffenen führte.
„Viele Frauen wurden in schlampigen, unfairen Prozessen zum Tode verurteilt, bei denen oft weder verfahrensrechtliche Garantien eingehalten noch mildernde Umstände wie langjähriger Missbrauch, Gewalt und sexuelle Übergriffe berücksichtigt wurden.“
Rajat Khosla, Direktor für Research, Advocacy and Policy bei Amnesty International.
„Mit der Verurteilung dieser Frauen zum Tode halten die Justizsysteme weltweit nicht nur an einer abscheulichen und grausamen Strafe fest, sondern sie lassen die Frauen auch den Preis für das Behördenversagen im Kampf gegen Diskriminierung bezahlen. Da es bei der Anwendung der Todesstrafe keine Transparenz gibt, sind die Amnesty bekannten Fälle wohl nur die Spitze des Eisbergs.“
In vielen Fällen versäumten es die Behörden zu reagieren, wenn diskriminierende Praktiken angezeigt wurden. Statt diese zu beenden, entstand so vielmehr eine Kultur des Missbrauchs, der zahlreiche der im Todestrakt festgehaltenen Frauen ausgesetzt waren – und auf ihrem Weg durch das Strafjustizsystem werden sie noch weiter marginalisiert.
Noura Hussein Hamad Daoud aus dem nordafrikanischen Sudan wurde im April 2017 für den Mord an dem Mann, den sie im Alter von 16 Jahren heiraten musste, zum Tode verurteilt. Drei Jahre nach der Zwangsheirat war sie gezwungen worden, in dessen Haus zu ziehen. Dort schlugen sie der Mann, zwei seiner Brüder und ein männlicher Cousin brutal. Sie wurde festgehalten, während ihr Mann sie vergewaltigte. Amnesty International setzte sich zusammen mit anderen Organisationen für Noura Hussein Hamad Daoud ein, und schließlich wurde ihr Todesurteil umgewandelt.
Im Jahr 2018 dokumentierte Amnesty International die Hinrichtung der Kurdin Zeinab Sekaanvand in Iran. Sie war noch ein Kind, als sie verheiratet wurde, und musste jahrelang sexualisierte Gewalt durch ihren Ehemann und ihren Schwager erdulden. Mit 17 Jahren wurde sie wegen Mordes an ihrem Ehemann festgenommen und in einem Gerichtsverfahren verurteilt, das bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. Mehr zu ihrem Schicksal in englischer Sprache [hier].
In einigen Ländern, darunter im westafrikanischen Ghana, konnten einige angeklagte Frauen die von ihnen erlebte geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung in den Gerichtsverfahren gegen sie nicht als mildernde Umstände geltend machen, da dort für bestimmte Straftaten wie beispielsweise Mord die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben ist. Die obligatorische Todesstrafe bedeutet, dass Gerichte in einem konkreten Fall weder die Umstände der Straftat noch den Hintergrund der angeklagten Person bei der Strafzumessung berücksichtigen können, wenn sie das Urteil fällen. In Malaysia wurde die überwältigende Mehrheit der Frauen im Todestrakt, insbesondere Ausländerinnen, wegen Drogenhandels verurteilt – der dort ebenfalls obligatorisch mit der Todesstrafe geahndet wird.
„Bis Ende des letzten Jahres hatten 108 Länder die Todesstrafe vollständig abgeschafft. Zum Glück entfernt sich die Welt von der Vorstellung, dass Staaten die Macht haben dürfen, das Recht auf Leben zu verweigern“, sagt Amnesty-Direktor Rajat Khosla. „Aber solange noch nicht alle Länder die Todesstrafe aufgegeben haben, werden wir nicht aufhören, uns für ihre Abschaffung einzusetzen. Gemeinsam können wir es schaffen, dass diese grausame Strafe für immer in den Geschichtsbüchern verschwindet.“
Ghana: Unfaire und diskriminierende Todesstrafe abschaffen!
Aus Anlass des Welttags gegen die Todesstrafe ruft Amnesty International dazu auf, aktiv zu werden und beispielsweise einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung der Todesstrafe in Ghana zu unterstützen. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab und fordert weltweit ihre vollständige Abschaffung. Die Todesstrafe verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.
Aktiv werden gegen die Todesstrafe in Ghana
⇒ Appellbriefe und Petitionen [hier] herunterladen.
Welttag gegen die Todesstrafe
Der Welttag gegen die Todesstrafe wird seit dem Jahr 2003 jährlich am 10. Oktober begangen. Initiatoren waren die Weltkoalition gegen die Todesstrafe und Amnesty International. Hintergrund ist der Kampf gegen die Todesstrafe, deren weltweite Abschaffung mit Nachdruck gefordert wird. 2007 beschloss das Ministerkomitee des Europarats, den 10. Oktober auch als europäischen Gedenktag zu begehen.
Mehr zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe:
- Amnesty-Bericht „2021 World Day Against the Death Penalty – The additional burden of the death penalty on women“ (in Englisch) mit etlichen Einzelfallstudien [Download]
- Amnesty-Faltblatt (in Englisch) zum aktuellen Stand der Todesstrafe in Ghana [Download]
- Weltkoalition gegen die Todesstrafe (World Coalition Against the Death Penalty), ausführliche [Informationen]
- Pressemitteilung von Bundesaußenminister Heiko Maas [Download]
- Gemeinsame [Erklärung] der Europäischen Union und des Europarats
- Artikel der Zeitung Frankfurter Rundschau [Download]
- Artikel der Schweizer Tageszeitung Der Bund [Download]