Am 01. Juli 2021 gab die US-Regierung ihre Entscheidung bekannt, Hinrichtungen auf Bundesebene bis auf Weiteres auszusetzen. Amnesty International begrüßt diesen Schritt und hofft, dass er zu einem endgültigen Ende der Praxis auf Bundesebene führen wird und zugleich den Anstoß dafür gibt, die Abschaffung der Todesstrafe in den ganzen USA voranzutreiben.
Amnesty lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen entschieden ab. Diese äußerste Strafe ist nach Überzeugung der Organisation nicht die Lösung, niemals. Es handelt sich um eine grausame und unmenschliche Bestrafung, die mit grundlegenden Menschenrechten unvereinbar ist, da sie die menschliche Würde und Unantastbarkeit auf inakzeptable Weise verleugnet. Überdies geht von der Todesstrafe keine besondere Abschreckung aus und das Risiko, Unschuldig hinzurichten, ist nicht auszuschließen. Laut dem jüngsten Amnesty-Jahresbericht zur Todesstrafe weltweit für das Jahr 2020 verzichten immer mehr Länder auf die Exekution von Inhaftierten. Die globale Zahl der Hinrichtungen nahm im fünften Jahr in Folge ab. Weltweit haben mehr als 140 Länder die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis außer Vollzug gesetzt.
Überprüfung
US-Justizminister Merrick Garland ordnete an, dass die Todesstrafe auf Bundesebene vorerst nicht mehr vollstreckt werden darf. Zunächst sollten alle Vorgehensweisen und Richtlinien überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Strafjustiz verfassungsgemäß, fair und menschlich handle, erklärte das Justizministerium. Es gebe „ernsthafte Bedenken“ gegen die Vollstreckung der Todesstrafe, schrieb Garland. Er verwies auf mögliche „Willkür“, die überproportionale Betroffenheit von Schwarzen und die „beunruhigende“ Zahl von Fehlurteilen. Zudem sollen Vorschriften geprüft werden, die Hinrichtungen beschleunigen sollten. Keine Auswirkungen hat die Entscheidung allerdings vorerst auf die Vollstreckung von Todesurteilen durch die Bundesstaaten. Sie können weiter Hinrichtungen durchführen lassen.
US-Präsident Joe Biden lehnt die Todesstrafe ab. Sein Vorgänger Donald Trump hingegen hatte nach einer 17 Jahre währenden Pause wieder Hinrichtungen auf Bundesebene aufnehmen lassen. Daraufhin wurden ab Juli 2020 insgesamt 13 nach Bundesrecht verurteilte Straftäterinnen und Straftäter per Giftspritze hingerichtet.
Wiederaufnahme unter Trump
Seit 2003 hatte es keine Hinrichtung mehr auf Bundesebene in den USA gegeben. Die Todesstrafe wurde seitdem zwar weiter verhängt, aber nicht vollstreckt. Seit 1988 hatte es lediglich drei Vollstreckungen der Todesstrafe nach Bundesrecht gegeben. Unter anderem wurde 2001 Timothy McVeigh hingerichtet, der 1995 den Bombenanschlag in Oklahoma City verübt hatte. Für die Regierung von Präsident Donald Trump war der Kampf gegen das Verbrechen ein zentrales Wahlversprechen. Seit 2019 strebte sie intensiv danach, das unter der Administration Barack Obamas eingerichtete De-facto-Hinrichtungsmoratorium des Bundes zu beenden.
Todesurteile, die von Bundesgerichten gefällt werden, sind in den USA selten. Üblicherweise ist die Todesstrafe eine Domäne der US-Bundesstaaten. Nach Bundesrecht geahndet werden können Vergehen nach dem Militärstrafrecht oder – neben Mord – wenige andere Verbrechen – darunter auch Terrorismus, schwere Drogendelikte und Spionage. Fälle, in denen Straftäterinnen und Straftäter von Bundesgerichten zum Tode verurteilt wurden, liegen in der Hand der Bundesregierung. Gegenwärtig sitzen 48 Häftlinge in den Todeszellen des Bundes in der Haftanstalt Terre Haute, Bundesstaat Indiana, ein. Weitere vier Gefangene warten im Militärgefängnis von Fort Leavenworth, Kansas, auf ihre Hinrichtung. Auf Bundesebene wäre für die Abschaffung der Todesstrafe die Aufhebung des entsprechenden Gesetzes nötig, was jedoch bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im US-Senat nicht erfolgsversprechend ist, da die Republikaner die Todesstrafe überwiegend befürworten. Dennoch könnte Präsident Joe Biden mittels eines Dekretes dafür sorgen, dass auf Bundesebene längerfristig keine Todesstrafen mehr vollstreckt werden.
Wind of Change
Die USA sind derzeit das einzige Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent, das Menschen zum Tode verurteilt und hinrichtet. In 27 der 50 US-Bundesstaaten ist die Todesstrafe noch zulässig. Allerdings ist in den USA ebenfalls in den letzten Jahren ein eindeutiger Trend weg von der Todesstrafe erkennbar: Die Todesstrafe wird weniger häufig verhängt und noch seltener vollstreckt. Im Jahr 2020 wurde die Todesstrafe im US-Bundesstaat Colorado abgeschafft, 2021 folgte der Bundesstaat Virginia. Offizielle Hinrichtungsstopps sind in den Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Pennsylvania in Kraft. In der Bevölkerung der USA sinkt die Zustimmung zur Todesstrafe seit Jahren.
Mehr zum Moratorium in englischer Sprache
- Pressemitteilung des US-Justizministeriums
- Stellungnahme von Amnesty-USA