Arizona: US-Bundesstaat will Gaskammer reaktivieren

Der im Südwesten der USA gelegene Bundesstaat Arizona will die Todesstrafe wieder vollstrecken. Zum Einsatz kommen soll das Gas Cyanwasserstoff (Blausäure). Dabei handelt es sich makabererweise um jenen Stoff, der während des nationalsozialistischen Terrorregimes unter dem Namen Zyklon B bekannt war und der in Konzentrations- und Vernichtungslagern verwendet wurde, um Millionen Menschen zu töten. Es gibt wohl kaum eine chemische Substanz, die als Mordwerkzeug so untrennbar mit dem Holocaust in Verbindung steht.

Warum neue / alte Hinrichtungsmethoden?

In vielen US-Bundesstaaten sind die tödlichen Substanzen für die Giftspritzen knapp, weil sich Pharmafirmen weigern, den US-Behörden Nachschub zu liefern. Deshalb wird fieberhaft nach alternativen Methoden zur Durchführung der Todesstrafe gesucht. In dem republikanisch regierten Arizona kommen auch Komplikationen bei vorherigen Hinrichtungen als weitere Gründe hinzu, weshalb der Bundesstaat jetzt auf andere Tötungstechniken setzt. Laut Medienberichten ist die 1949 erbaute und seit 22 Jahren stillgelegte Gaskammer in Arizona erst kürzlich renoviert und auf ihre Funktionstüchtigkeit hin untersucht worden. Die Gefängnisbehörde Arizonas soll zudem bereits mehr als 2.000 US-Dollar für Inhaltsstoffe aufgewendet haben, die zur Herstellung des Cyanwasserstoff-Gases benötigt werden. Für die Hinrichtung mit Gas wird der oder die Verurteilte in eine luftdichte Kammer gesetzt und auf einem Stuhl gefesselt, dann wird das toxische Gas eingeleitet und tötet den Menschen. Sobald der oder die Gefangene tot ist, wird das Giftgas mit Ammoniak neutralisiert, bis die Kammer sicher betreten werden kann.

Die letzte Person, die in Arizona durch Gas hingerichtet wurde, war der deutsche Staatsbürger Walter LaGrand im Jahr 1999. La Grand war wegen bewaffneten Raubüberfalls und Mordes zum Tode verurteilt worden. Laut Zeugenaussagen dauerte seine Exekution in der Gaskammer qualvolle 18 Minuten.

Arizona setzte Hinrichtungen nach Komplikationen aus

Seit 2014 ruht in Arizona der Vollzug der Todesstrafe als Reaktion auf eine „verpfuschte“ Exekution. Damals wurde der des Mordes überführte Joseph Wood per Giftspritze hingerichtet. Anstelle einer Giftinjektion, die Wood in zehn Minuten hätte töten sollen, benötigten die Henker insgesamt 15 Giftinjektionen. Zeugen der Hinrichtung berichteten, der Todeskampf habe sich über einen Zeitraum von zwei Stunden und unter großen Qualen hingezogen, ehe der Delinquent starb.

Nun soll die Todesstrafe wieder in Arizona vollstreckt werden. 115 Gefangene befinden sich dort im Todesstrakt. Häftlinge sollen künftig zwischen der Todesspritze und dem Tod durch Vergasung wählen können. Der Bundesstaat beteuert, dass die Hinrichtungsmethode durch Giftgas ethisch vertretbar sei.

„Man muss sich fragen, was sich Arizona dabei gedacht hat, zu glauben, dass es im Jahr 2021 akzeptabel ist, Menschen in einer Gaskammer mit Zyklongas hinzurichten“ hält Robert Dunham, Direktor des Death Penalty Information Centers dagegen. Er steht einer angesehenen unparteiischen und privaten Organisation vor, die sich gegen die Todesstrafe in den USA wendet.

Todesstrafe in den USA

Die USA sind derzeit das einzige Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent, das Menschen zum Tode verurteilt und hinrichtet. In 27 der 50 US-Bundesstaaten ist die Todesstrafe noch zulässig. Im Jahr 2020 wurde die Todesstrafe im US-Bundesstaat Colorado abgeschafft.

Neben Arizona erlauben sechs weitere Bundesstaaten tödliches Gas für Hinrichtungen: Alabama, Kalifornien, Mississippi, Missouri, Oklahoma und Wyoming. Es gibt wenig medizinische Forschung über die Auswirkungen tödlicher Gase auf den menschlichen Körper.

Die Vollstreckung der Todesstrafe ist in den amerikanischen Bundesstaaten in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Zahl der Exekutionen in den USA lag 2020 bei 17 verglichen mit 22 in 2019. Ins­ge­samt 18 neue Todesurteile wur­den 2020 in 7 Bundesstaaten ausge­spro­chen, ein Rückgang im Vergleich zu 2019, als 11 Bundesstaaten und der Bund in Summe 35 Todesstrafen fällten. Die Jahresbilanz an Todesurteilen lag damit im sechsten Jahr in Folge unter 50 neue Todesstrafen. Mitte der 1990er-Jahre hatte die Zahl der jährlich ver­hängten Todesurteile noch bei mehr als 300 ge­legen. Laut Meinungsumfragen hat die öffentliche Unterstützung für die Todesstrafe in den USA spürbar abgenommen.

Ein Rückschritt im Kampf gegen die Todesstrafe war, dass die US-Regierung noch unter Präsident Trump im Juli 2020 begann, wieder Hinrichtungen auf Bundesebene zu vollziehen. Nachdem diese zuvor 17 Jahre lang ausgesetzt waren, wurden in einem Zeitraum von nur knapp sieben Monaten zwölf Männer und eine Frau exekutiert. Präsident Biden hat die Abschaffung der Todesstrafe auf Bundesebene in Aussicht gestellt.

Amnestys Position zur Todesstrafe

Amnesty International lehnt die Todesstrafe prinzipiell ab. Sie ist fehlerhaft, rassistisch, willkürlich und hat keinen positiven Effekt auf die Kriminalitätsrate.

Bislang konnte die Unmenschlichkeit der Todesstrafe in den USA durch die Giftspritze kaschiert werden: Ein scheinbar schmerzloser, unspektakulärer Tod, eine angeblich humane Hinrichtung. Die Verwendung von Giftgas im Allgemeinen und Zyklon B im Besonderen demaskiert die Todesstrafe und zeigt sie als das, was sie ist: die grausame Vernichtung menschlichen Lebens.

2- Sieht ai es als zielführend an, Maßnahmen wie Exportverbote, Einreisesperren, Reisewarnung o.ä. auf die verantwortlichen US-Behörden einzuwirken?

Amnesty legt den Finger in die Wunde, indem die Organisation die Mangelhaftigkeit und die Grausamkeit der Todesstrafe klar benennt, um ihr damit die Grundlage zu entziehen. Der Einsatz von Zyklon B wäre grauenhaft und ein weiterer Beleg dafür, dass die Todesstrafe ein Relikt aus schlimmen Zeiten ist.

18. Juli 2021