Die lange Reise der Republik Tschad zur Abschaffung der Todesstrafe

Die ehemalige französische Kolonie wurde im August 1960 unabhängig und ist seitdem eine Präsidialrepublik. Das Land liegt in Zentralafrika. Jetzt hat es die Weichen gestellt, um der Todesstrafe den Garaus zu machen.

Das Jahr 1967 markiert die Ausgangssituation. Aus diesem Jahr stammt nämlich das ursprüngliche Strafgesetzbuch Tschads, das die Todesstrafe für strafbare Handlungen wie zum Beispiel Mord in Tateinheit mit einem anderen Verbrechen, Giftmord, Hochverrat und Spionage vorsah, aber auch verschiedene militärische Straftaten mit dem Tode bedrohte.

Obwohl die Regierung Tschads 2014 angekündigte, die Todesstrafe nun abschaffen und durch eine lebenslange Haftstrafe ersetzen zu wollen, wurde 2015 durch das „Gesetz Nr. 034“ vom 5. August die Todesstrafe sogar noch auf eine beträchtliche Anzahl von terroristischen Straftaten ausgeweitet, wobei das Gesetz den Begriff „Terrorismus“ äußerst breit definierte.

Warum der Kurswechsel?

Um diese Kehrtwende zu verstehen, bedarf es eines Exkurses betreffend „Boko Haram“, einer bewaffneten islamistischen Gruppierung aus dem Norden Nigerias. Diese ist seit 2009 aktiv und von Jahr zu Jahr zunehmend auch im Anrainerstaat Tschad wirkend. So wurden zum Beispiel am 13. Februar 2015 in Tschad mindestens 21 Personen durch einen Angriff dieser Terrormiliz getötet. Es folgten weitere Terroranschläge, bis es schließlich am 15. Juni 2015 zu einem Doppelselbstmordattentat in der Hauptstadt N‘Djamena kam, das zahlreichen Menschen das Leben kostete. Diese zunehmende Bedrohung durch Terroranschläge in Tschad lieferte die Begründung dafür, terroristische Akte unter Todesstrafe zu stellen. Am 29. August 2015 richtete ein Erschießungskommando zehn mutmaßliche Boko Haram-Mitglieder hin, die einen Tag zuvor in einem nichtöffentlichen Prozess zum Tode verurteilt worden waren. Es waren dies die ersten Hinrichtungen in Tschad seit dem Jahr 2003.

Erste Schritte zur Abschaffung

Am 11. Dezember 2016 verabschiedete das Parlament mit großer Mehrheit eine Reform des Strafgesetzbuchs von 1967, das die Todesstrafe für alle Straftaten außer in Fällen von Terrorismus beendete. Das Mindestheiratsalter für die Verhängung der Todesstrafe wurde auf 18 Jahre angehoben. Das neue Strafgesetzbuch trat am 8. Mai 2017 in Kraft. Die Strafe von zum Tode verurteilten Personen wurde in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Doch noch bis in das Jahr 2018 hinein fällten Gerichte mindestens vier neue Todesurteile.

Steht die Todesstrafe jetzt endgültig vor dem Aus?

Im April 2018 fand der Afrikanische Regionalkongress gegen die Todesstrafe statt, auf welchem der Justizminister Tschads, Djimet Arabi, eine Änderung des 2015 beschlossenen Anti-Terrorgesetzes Nr. 034 versprach. Am 28. April 2020 war es schließlich soweit: Die Nationalversammlung votierte ohne Gegenstimme für die Abschaffung der Todesstrafe für terroristische Verbrechen. Nun gilt es zu verfolgen, ob der Präsident die Gesetzesänderung unterschreibt und ob diese dann im Gesetzesanzeiger veröffentlicht wird. Denn nur dann ist das Gesetz auch wirksam und die Todesstrafe in Tschad Geschichte.

Tschad wäre der 21. Staat Afrikas (von insgesamt 54 Ländern des Kontinents), der vollständig auf die Todesstrafe verzichtet. Die wichtigsten Ereignisse auf dem Weg zur Abschaffung dieser äußersten Strafe dokumentiert anschaulich dieser Zeitstrahl.

4. November 2020