Bangladeschs Präsident Abdul Hamid hat ein Gesetz unterzeichnet, das die Todesstrafe auf den Straftatbestand der Vergewaltigung ausweitet. Am 12. Oktober 2020 hatte die Regierung des südasiatischen Landes die Vorlage beschlossen, die das bestehende Gesetz aus dem Jahr 2000 verschärft. Bisher lag die Höchststrafe für Vergewaltigung bei lebenslanger Haft.
Mit diesem Schritt reagierte die Regierung auf schockierende Berichte über eine Gruppenvergewaltigung im Süden des Landes. Anfang Oktober war in den sozialen Medien sogar ein Video von dem Verbrechen aufgetaucht, das tagelange Proteste auslöste. Tausende Demonstrierende forderten ein Ende der Straflosigkeit für Sexualstraftaten gegen Frauen und Mädchen. Drastische Strafen für Vergewaltiger wurden verlangt. Inzwischen nahm die Polizei acht Personen fest, die beschuldigt werden, an dem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.
Vergewaltigung ist als schwere Straftat geächtet und muss geahndet werden. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren jedoch die Entscheidung Bangladeschs.
„Dieser rückwärtsgewandte Schritt ist ein Feigenblatt“, sagte der Südasien-Experte von Amnesty, Sultan Mohammed Zakaria.
Die Erhöhung des Strafmaßes lenke davon ab, dass es in Bangladesch an Maßnahmen fehle, um Gewalt gegen Frauen vorzubeugen. Hinrichtungen setzten vielmehr die Gewalt fort, statt sie zu verhindern.
Zakaria unterstrich: „Anstatt Rache zu üben, müssen sich die Behörden darauf konzentrieren, den Opfern sexueller Gewalt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auch indem sie langfristige Veränderungen bewirken, die geeignet sind, dieses epidemische Ausmaß an Gewalt zu stoppen und deren Wiederkehr zu verhindern.“
Zakaria bemängelte, dass viele Tatverdächtige in Bangladesch ganz straffrei blieben: weil sie oft nicht ermittelt oder in Prozessen nicht verurteilt würden; oder aber, da Frauen aus Furcht vor Bedrohung oder Stigmatisierung die Verbrechen gar nicht erst anzeigten. In diesem Jahr sind in Bangladesch bereits mindestens 975 Vergewaltigungsfälle bekannt geworden.
Hintergrund
Amnesty International wendet sich gegen die Todesstrafe, weil sie gegen das Recht auf Leben, das durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert wird, verstößt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Form von Strafe darstellt. Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode.
In der Volksrepublik Bangladesch steht die Todesstrafe auf zahlreiche Delikte wie Mord, Raub mit Todesfolge, Terrorismus, Entführung, Drogenvergehen, Verrat, Spionage sowie militärische Straftaten wie Meuterei. Nach Informationen von Amnesty wurden im vergangenen Jahr zwei Verurteilte am Galgen hingerichtet und mindestens 220 neue Todesurteile gefällt. Zum Jahresende 2018 waren mindestens 1.500 Gefangene vom Vollzug der Todesstrafe bedroht. Amnesty fordert die Regierung Bangladeschs auf, unter allen Umständen auf die Abschaffung der Todesstrafe hinzuwirken.
Gegen den Trend
Mit der Ausweitung der Todesstrafe stellt sich Bangladesch gegen den weltweiten Trend zur Überwindung dieser schrecklichen und endgültigen Strafe. Doch das Phänomen ist nicht neu: Auch 2019 haben einige Staaten den Anwendungsbereich der Todesstrafe erweitert, indem sie Gesetze verabschiedeten, die neue Straftatbestände unter Todesstrafe stellen: Indien, Thailand und Nigeria (Bundesstaaten Katsina und Taraba).