USA: Bundesregierung lässt in Serie hinrichten

Der Trend in den USA ist erfreulich und eindeutig: Die Zahl der jährlichen Hinrichtungen fällt seit rund 20 Jahren stark und stetig. Die Todesstrafe wird landesweit weniger häufig verhängt und noch seltener vollstreckt. Bislang jedenfalls.

Todesstrafe nach Bundesrecht

Auch auf Ebene des Bundes war – als Teil dieses positiven Trends – seit fast zwei Jahrzehnten kein Gefangener mehr exekutiert worden. Seit 1988 hatte es lediglich drei Vollstreckungen der Todesstrafe durch Bundesbehörden gegeben. Dann kam Präsident Donald Trump, ein Verfechter der Todesstrafe. Ein zentrales Wahlversprechen war der Kampf gegen das Verbrechen. Nach Auffassung der Regierung schließt dies auch die Anwendung der Todesstrafe ein. Die Trump-Administration arbeitete seit einem Jahr daran, um den Weg für die Wiederbelebung der Todesstrafe auf Bundesebene freizumachen.

Todesurteile nach Bundesrecht werden in den USA selten angeordnet. Üblicherweise ist die Todesstrafe eine Domäne der US-Bundesstaaten zur Aburteilung von Mordkriminalität. Doch auch nach Bundesrecht können eine Reihe besonders schwerer Verbrechen mit dem Tod geahndet werden und wenn besondere Tatumstände vorliegen. Fälle, in denen Straftäterinnen und Straftäter von Bundesgerichten zum Tode verurteilt wurden, liegen dann in der Zuständigkeit der Bundesregierung.

Hinrichtungen im Eiltempo

Mitte Juli 2020 war es soweit: Binnen Wochenfrist wurden drei des Mordes überführte Männer durch Bundesbehörden hingerichtet.

Am 26. und 28. August erfolgten in schneller Folge bereits die vierte und fünfte Hinrichtung des Bundes. In einem Bundesgefängnis in Terre Haute im Bundesstaat Indiana starb Lezmond Mitchell durch eine Giftspritze. Um 18.29 Uhr Ortszeit wurde er für tot erklärt. Der 38-jährige war Angehöriger des Indianerstamms der Navajo. 2001 hatte er gemeinsam mit einem Komplizen eine Frau und ein Kind getötet. 2003 erging das Todesurteil gegen ihn – ein umstrittenes Urteil. Er war der einzige „native American“, der einzige Ureinwohner also, der zuletzt in der Todeszelle saß. Mitchell war zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Morde, die in einem Navajo-Reservat verübt wurden, zwanzig Jahre alt. Die Hinrichtung wurde vollzogen, obwohl die Interamerikanische Menschenrechtskommission (ein unabhängiges Organ der Organisation Amerikanischer Staaten) einen Vollstreckungsaufschub beantragt hatte, um prüfen zu können, ob sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden war und die Hinrichtung gegen die Rechte der Navajos auf kulturelle Identität und Selbstbestimmung verstoßen würde. Ein US-Bundesgesetz bestimmt, dass die Justiz für die Verhängung der Todesstrafe die Zustimmung eines Indianerstamms benötigt, und zwar, wenn sich die Tat in dessen Territorium ereignete und zudem Täter und Opfer dem Stamm angehören. Diese Zustimmung lag aber im Fall von Lezmond Mitchell nicht vor. Die Anklage umging diese Vorgabe, indem sie statt auf Mord in einem zentralen Anklagepunkt auf Autoraub mit Todesfolge erkannte, ein Straftatbestand, der nicht unter das erwähnte Bundesgesetz fällt. Die Kultur der Navajos lehnt die Todesstrafe ab. Deshalb setzen sich führende Navajo-Mitglieder seit Jahren aktiv gegen eine Hinrichtung Mitchells ein, so auch Angehörige der Opferfamilie. – Vergebens. Mitchells Anwälte bemängelten zudem, dass Rassendiskriminierung die Auswahl der Jury und die Entscheidung der Juroren in seinem Fall beeinflusst haben könnten.

Die nächste Hinrichtung fand zwei Tage später statt. Der 45-jährige Keith Dwayne Nelson wurde am Freitag, dem 28. August, als fünfter Bundeshäftling hingerichtet. Nelson war im Jahr 2003 wegen der Entführung und Ermordung eines Kindes zum Tode verurteilt worden. Die Tat hatte sich 1991 im US-Bundesstaat Kansas ereignet.

Seine Anwälte sagten, dass „die Hinrichtung von Keith Nelson die Welt nicht sicherer gemacht hat.“

© Alli McCracken

 

Ende September 2020 erfolgten zwei weitere Exekutionen: Am 22. September wurde der 50-jährige William E. LeCroy mit einer tödlichen Injektion hingerichtet. Gegen LeCroy war das Todesurteil ergangen, weil er 2001 eine 30-jährige Frau ermordet hatte, von der er glaubte, dass sie ihn mit einem Fluch belegt und verhext habe.

Am 24. September starb Christopher Vialva durch die Giftspritze. Der 40-Jährige Afro-Amerikaner hatte 1999 einen Doppelmord verübt und war im Jahr 2000 von einer Jury aus elf Weißen und einem Schwarzen zum Tode verurteilt worden. Vor dem Vollzug seines Todesurteils hatte Vialva 20 Jahre im Todestrakt in Haft verbracht. Er ist damit der siebte US-Bundesgefangene, dessen Todesurteil seit Mitte Juli 2020 in den USA vollstreckt wurde.

Gegenwärtig sitzen 55 Häftlinge in den Todeszellen des Bundes in Terre Haute, Indiana, ein. Weitere vier Gefangene warten im Militärgefängnis von Fort Leavenworth, Kansas, auf ihre Hinrichtung. Landesweit sind in diesem Jahr bereits 14 Gefangene hingerichtet worden gegenüber 22 im Vorjahr.

Dagegen

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften der verurteilten Person, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Taten wie die geschilderten und das damit verbundene Leid dürfen weder entschuldigt noch verharmlost werden und erfordern selbstverständlich eine angemessene Bestrafung. Die Todesstrafe jedoch ist niemals die Lösung. Kein einziges Mordopfer wird vom Vollzug der Todesstrafe wieder lebendig. Der Mythos, Hinrichtungen könnten potenzielle Straftäterinnen und Straftäter abschrecken, also von der Tat abhalten, ist längst widerlegt. Hinzu kommt, dass das Todesstrafen-System der USA zutiefst fehlerhaft und willkürlich ist. Viele Fälle sind von rassistischen Vorurteilen und einer schlechten anwaltlichen Vertretung geprägt.

Diese äußerste Strafe darf in einem modernen Justizsystem keinen Platz mehr finden. Amnesty sieht daher in der Wiederbelebung der Todesstrafe auf Bundesebene der USA einen fatalen Schritt zurück in längst vergangen geglaubte Tage. Die Organisation kritisiert die jüngsten Hinrichtungen von Inhaftierten aufs Schärfste und fordert die Vereinigten Staaten dazu auf, von weiteren Exekutionen Abstand zu nehmen.

Mehr dazu

  • Amnesty kritisiert die Todesstrafe auf US-Bundesebene in einer Pressemitteilung.
  • Eine öffentliche Erklärung zu den durchgeführten Hinrichtungen der US-Bundesregierung in englischer Sprache findest du [hier].
26. September 2020