Am 23. September 2020 unterzeichnete Kasachstan, ein Land in Zentralasien, das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. Mit seiner Unterschrift bekundet das Land nicht nur seine Absicht, diesem Pakt zu einem späteren Zeitpunkt beitreten zu wollen, sondern geht auch die Verpflichtung ein, in naher Zukunft die Todesstrafe ohne wenn und aber abzuschaffen.
Marie Struthers, Direktorin von Amnesty International für Osteuropa und Zentralasien, reagierte erfreut: „Diese Nachricht ermutigt uns, weil Kasachstan damit dem Ziel näher kommt, sich der stetig wachsenden Familie von Nationen anzuschließen, die diese beschämende Bestrafung hinter sich gelassen haben. Kasachstan muss nun den letzten Schritt tun, indem es die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen abschafft und das Fakultativprotokoll ohne Vorbehalt ratifiziert. Die weltweite Abschaffung dieser Art der Bestrafung hat für Amnesty International weiterhin Priorität.“
Russland, Tadschikistan und Weißrussland sind jetzt die einzigen drei Länder in Europa und Zentralasien, die das Zweite Fakultativprotokoll noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben. Belarus ist das einzige Land in der Region, das noch Hinrichtungen durchführt.
Hintergrund
Der kasachische Präsident Kassym-Zhomart Tokayev hatte in seiner Rede anlässlich der 74. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2019 angekündigt, dass sein Land dem Protokoll zur Abschaffung der Todesstrafe beitreten werde.
Kasachstan hat die Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen abgeschafft, erhält sie jedoch für insgesamt 17 terrorismusbezogene Straftaten und Kriegsverbrechen aufrecht. Seit dem 19. Dezember 2003 ist ein offizielles und unbefristetes Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe in Kraft. Die Gerichte haben die Verhängung der Todesstrafe im Jahr 2004 im Wesentlichen eingestellt, aber in seltenen Fällen Ausnahmen gemacht. So wurde im November 2016 ein Mann auf der Grundlage terrorismusbezogener Anklagen zum Tode verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, im Juli 2016 in der Stadt Almaty zehn Menschen getötet zu haben. Er war die sechste Person, die zum Tode verurteilt wurde, seit der Hinrichtungsstopp 2003 Gültigkeit erlangte. Seither wurden alle Todesurteile in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt. Nur der zuvor genannte Attentäter verbleibt als einziger in Kasachstan in der Todeszelle.
Die Todesstrafe war in Kasachstan lange Zeit als Staatsgeheimnis eingestuft. Angesichts des Fehlens in sich schlüssiger, veröffentlichter amtlicher Daten über die Anwendung der Todesstrafe waren auch die Amnesty zur Verfügung stehenden Angaben unvollständig. Exekutionen wurden durch Erschießungskommandos in der Regel heimlich ausgeführt. Die letzten vier Todesurteile wurden noch vor Inkrafttreten des Hinrichtungsmoratoriums im November 2003 vollstreckt.
Das Protokoll
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, kurz Zivilpakt, gehört zu den wichtigsten, rechtlich bindenden Menschenrechtsabkommen. Der UN-Zivilpakt wurde im Dezember 1989 von der UN-Generalversammlung um das Zweite Fakultativprotokoll erweitert, welches im Juli 1991 in Kraft trat. Es verpflichtet Länder, die das Fakultativprotokoll ratifizieren, auf die vollständige Abschaffung der Todesstrafe. Bisher (Stand: September 2020) wurde das Fakultativprotokoll von 88 Staaten ratifiziert. Zwei weitere Staaten, Armenien und Kasachstan, haben das Protokoll gezeichnet und somit ihre Absicht bekundet, diesem zu einem späteren Zeitpunkt beizutreten.