Taiwan: Seit 32 Jahren in der Todeszelle

Chiou Ho-shun

Beitragsbild: © Radio Taiwan International

Chiou Ho-shun befindet sich seit 1989 in Haft. In der modernen Geschichte Taiwans saß kein Gefangener länger im Todestrakt. Es handelt sich außerdem um den am längsten währenden Kriminalfall des Landes. Chiou Ho-shun kann jederzeit hingerichtet werden. Am 7. April ist er 61 Jahre alt geworden − sein 33. Geburtstag in Haft. Nach über drei Jahrzehnten in einer engen Zelle hat sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Der Fall wurde kürzlich von seinen Anwälten als ein „Schandfleck der Rechtsgeschichte unseres Landes“ bezeichnet.

Der Fall

1988 wurde der Taiwanese mit elf weiteren Personen im Zusammenhang mit zwei Morden festgenommen. Alle Verhafteten wiesen zunächst die Anschuldigungen gegen sie zurück. Aber innerhalb weniger Tage gaben alle zwölf zu, nicht nur einen neun Jahre alten Jungen nach einer missglückten Lösegelderpressung getötet zu haben, sondern auch einen zuvor ungelösten Mord an einer Frau begangen zu haben. Nach einem unfairen Gerichtsverfahren wurde Chiou Ho-shun 1989 wegen Raubes, Entführung und Mordes zum Tode verurteilt. Nur er allein und keiner seiner Mitangeklagten erhielt die Todesstrafe.

Chiou Ho-shun und seine Mitangeklagten erheben den Vorwurf, dass sie in der Haft gefoltert wurden, um „Geständnisse“ zu erzwingen, und dass ihnen das Recht verweigert wurde, in den ersten vier Monaten ihrer Haft mit irgendjemandem zu kommunizieren. Chiou Ho-shun berichtet, man habe ihm während des Verhörs die Augen verbunden, ihn gefesselt und gezwungen, sich auf Eis zu setzen. Außerdem habe man ihn mit Stromschlägen misshandelt und ihm mit Pfeffer versetztes Wasser in Mund und Nase gegossen. Im Laufe der Verhöre, die bis zu zehn Stunden dauerten, wurde er von fünf oder sechs Personen geschlagen. Während der Untersuchung und der Verhöre wurde allen Beschuldigten ein Anwalt verweigert. Chiou Ho-shun und seine Mitangeklagten widerriefen später ihre “Geständnisse”. Zwei Staatsanwälte und zehn Polizeibeamte, die mit dem Fall befasst waren, sind 1994 für schuldig befunden worden, unter Anwendung von Folter „Geständnisse“ erpresst zu haben.

Der Rechtsstreit

Chiou Ho-shuns Fall wurde zwischen dem Hohen und Obersten Gerichtshof nicht weniger als elfmal zur Wiederverhandlung hin und her verwiesen. Es sind bisher keine Sachbeweise erbracht worden, die Chiou Ho-shun oder seine Mitangeklagten mit den ihnen angelasteten Straftaten in Verbindung bringen. Das Strafprozessrecht Taiwans schreibt vor, dass Geständnisse nicht als alleiniges Beweismittel für Schuld dienen können. Das Recht verbietet auch Gerichten, Informationen, die durch Folter erlangt wurden, als Beweismaterial zu verwenden. Am 28. Juli 2011 verlor Chiou Ho-shun sein letztes Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof. Nach dieser Entscheidung fragte er das Gericht: „Ich habe niemanden getötet. Warum haben die Richterinnen und Richter nicht den Mut, mich freizusprechen?“ Das Oberste Gericht wies im Juli 2017 auch ein außerordentliches Rechtsmittel ab, das der Generalstaatsanwalt ein Jahr zuvor zugunsten von Chiou Ho-shun beantragt hatte. Damit sollte die Neuverhandlung seines Falls erreicht werden. Chiou Ho-shun könnte jederzeit hingerichtet werden. In Taiwan erhalten zum Tode Verurteilte nur 30 Minuten im Voraus Bescheid, dass sie erschossen werden. Daher ist eine Begnadigung durch die Präsidentin seine letzte Hoffnung.

Die Todesstrafe in Taiwan

Obwohl die Todesstrafe für eine große Zahl von Straftatbeständen vorgesehen ist, wird sie in den letzten Jahren von den Gerichten in der Praxis selten und − wenn doch − insbesondere für schwere Mordfälle verhängt. Ende 2019 waren 39 Gefangene im Land zum Tode verurteilt. Von 2006 bis 2010, dem Jahr, in dem das Justizministerium eine Task Force einrichtete, die Wege zur schrittweisen Abschaffung der Todesstrafe ergründen sollte, gab es ein De-facto-Moratorium für Hinrichtungen. Die taiwanesische Regierung hat jedoch nicht viel in Bezug auf soziale Aufklärung oder Dialog über Fragen der Todesstrafe unternommen. In den Jahren zwischen 2010 und 2016 veranlasste die konservative Regierung unter Ma Ying-jeous, dass 33 Todesurteile vollstreckt wurden.

Nach dem Amtsantritt der eher progressiven Präsidentin Tsai Ing-wen im Mai 2016 erklärte diese die Abschaffung der Todesstrafe zumindest zum Fernziel. Doch auch unter ihr wurden zwei Gefangene hingerichtet, zuletzt am 1. April 2020. Amnesty International wie auch die Europäische Union drückten ihre Enttäuschung aus und forderten Taiwan auf, „künftige Hinrichtungen zu unterlassen, ein De-facto-Moratorium wieder einzuführen und aufrechtzuerhalten und eine konsequente Politik zur Abschaffung der Todesstrafe zu verfolgen“.

Was kannst du tun?

Sende bitte einen Appell in englischer Sprache. In der [Briefvorlage] wird das Staatsoberhaupt Taiwans, Präsidentin Tsai, aufgefordert, den von Chiou Ho-shun gestellten Begnadigungsantrag anzunehmen und seine Todesstrafe umzuwandeln.

Du kannst den Musterbrief als Vorlage verwenden und um eigene Gedanken ergänzen. Bitte schreibe stets höflich. Unterschreibe immer deinen Brief und gebe das Datum, deinen Namen sowie deine Adresse an. Den Standardbrief international musst du mit 1,10 € frankieren.

21. April 2021