Singapur verhängt Todesurteil per Videokonferenz

Der südostasiatische Stadtstaat ist bekannt für seine rigorose Anti-Drogenpolitik. In Singapur steht auf Drogenhandel die Todesstrafe, und zwar zwingend. Wird jemand wegen eines Drogendelikts schuldig gesprochen, so lautet die obligatorische Strafe Tod durch Erhängen.

Am 20. Mai 2020 bestätigte ein Sprecher des Obersten Gerichtshofs von Singapur, dass ein malaysischer Staatsangehöriger wegen Drogenhandels zum Tode verurteilt wurde. Die Entscheidung wurde am Freitag, dem 15. Mai 2020 per Videokonferenz mitgeteilt. Der Anwalt des 37-jährigen Mannes bestätigte, dass diese Anhörung über die Plattform Zoom durchgeführt wurde. In Singapur herrscht derzeit ein strenger Lockdown wegen der Corona-Pandemie. Dementsprechend sind auch Gerichtstermine ausgesetzt. Verhandlungen finden nur noch in dringenden Fällen statt.

„Ob über Zoom oder persönlich, ein Todesurteil ist immer grausam und unmenschlich.“

Chiara Sangiorgio, Anti-Todesstrafenexpertin bei Amnesty International, reagierte auf die Nachricht, dass in Singapur nun über einen Mann per Videoschalte die Todesstrafe verhängt wurde: „Ob über Zoom oder persönlich, ein Todesurteil ist immer grausam und unmenschlich. Dieser Fall ist ein Mahnruf, dass Singapur weiterhin gegen internationales Recht und Standards verstößt, indem es die Todesstrafe für den Drogenhandel und als obligatorische Strafe verhängt. Das muss aufhören. Laut einer Studie von Amnesty International ist Singapur eines von nur vier Ländern, in denen Menschen wegen Drogendelikten hingerichtet werden. Es ist höchste Zeit, dass die Regierung ihre drakonische Sanktionspolitik überprüft und die Todesstrafe ein für alle Mal abschafft. In einer Zeit, in der die globale Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, Leben in einer Pandemie zu retten und zu schützen, ist das Streben nach der Todesstrafe umso abscheulicher.“

Hintergrund

Nach Inkrafttreten des reformierten Gesetzes zum Drogenmissbrauch im November 2014 dürfen die Gerichte in Singapur nur unter ganz bestimmten Umständen bei Drogenvergehen die zwingende Verhängung der Todesstrafe umgehen. Dabei ist die verpflichtende Todesstrafe mit dem Schutz der Menschenrechte unvereinbar, weil sie weder die Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände des Angeklagten noch die Umstände des jeweiligen Verbrechens zulässt. Das Völkerrecht beschränkt zudem die Verhängung der Todesstrafe auf „schwerste Verbrechen“. Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat mehrmals festgestellt, dass Drogendelikte nicht die Kriterien für „schwerste Verbrechen“ erfüllen. Die singapurischen Behörden informieren die Öffentlichkeit nicht über anstehende Hinrichtungen. Es kommt vor, dass Hinrichtungen erst öffentlich bekanntgemacht werden, wenn diese schon vollzogen wurden. 2019 sind vier Gefangene exekutiert und 12 neue Todesurteile gefällt worden.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften der verurteilten Person, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Bis heute haben 106 Länder die Todesstrafe als Strafe für alle Verbrechen abgeschafft und mehr als zwei Drittel der Länder haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe