Das Königreich Saudi-Arabien hat am Sonntag, 26. April 2020 angekündigt, die Todesstrafe werde nicht mehr gegen Angeklagte verhängt, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, also noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hatten. Allerdings beschränkt sich dieses Verbot nur auf Fälle, in denen das Anti-Terror-Gesetz nicht zur Anwendung kommt. Die Todesstrafe wird durch eine Höchststrafe von 10 Jahren Gefängnis ersetzt. Amnesty International fordert das Land auf, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen.
„Dies wäre ein bedeutender Schritt für Saudi-Arabien, sollte die Reform tatsächlich in Kraft treten“, sagte Heba Morayef, Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika von Amnesty International. „Allerdings erreichte die fortgesetzte Anwendung der Todesstrafe durch das Land im vergangenen Jahr mit 184 dokumentierten Hinrichtungen einen schockierenden Höchststand.“
„Die Todesstrafe ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Kein Land sollte sie noch anwenden und Saudi-Arabiens Bilanz ist in dieser Hinsicht besonders schlecht. Saudi-Arabien muss nun ein offizielles Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe einrichten“, kommentierte Frau Morayef.
Nach Informationen von Amnesty International klammert das königliche Dekret Verbrechen aus, die unter das Anti-Terror-Gesetz fallen. Es ist unklar, zu welcher Strafe jugendliche Straftäterinnen und Straftäter stattdessen verurteilt würden, sollten sie nach diesem Gesetz vor Gericht gestellt werden. Amnesty hat den Missbrauch des Anti-Terror-Gesetzes durch die saudi-arabischen Behörden dokumentiert, das zu weit gefasste und vage Definitionen von „Terrorismus“ und „terroristischen Verbrechen“ enthält und auch eine Reihe von Bestimmungen einschließt, die die friedliche Meinungsäußerung kriminalisieren.
Jugendrecht versus Völkerrecht
Saudi-Arabien verstößt seit Jahren gegen das Völkerrecht, das die Anwendung der Todesstrafe gegen Personen verbietet, die zum Zeitpunkt des Verbrechens unter 18 Jahre alt waren. Das 2018 erlassene Jugendgesetz untersagt Gerichten zwar, nach freiem Ermessen Todesurteile gegen Personen unter 15 Jahren zu verhängen. Es hindert Richter aber nicht daran, Jugendliche in bestimmten Fällen weiterhin zum Tode zu verurteilen. Das Gesetz hat daher die Verpflichtungen Saudi-Arabiens aus der Kinderrechts-Konvention der Vereinten Nationen nicht erfüllt. Amnesty setzt sich seit langem für die Aufhebung der Todesurteile von Ali al-Nimr, Abdullah al-Zaher und Dawood al-Marhoon ein − drei junge Männer aus der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien, die alle als Minderjährige festgenommen und nach grob unfairen Gerichtsverfahren vom Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt wurden. Sie sind in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden.
Die Behörden haben den königlichen Erlass mit der Ankündigung, die Todesstrafe für Minderjährige zu beenden, noch nicht veröffentlicht. Nach Kenntnis von Amnesty haben die Familien der zum Tode verurteilten Jugendlichen noch keine Informationen über den Stand der Fälle ihrer Angehörigen erhalten. Amnesty ist der Auffassung, dass die Ankündigung einen Fortschritt gegenüber dem Jugendgesetz darstellt. Es müssen jedoch klare Durchführungsbestimmungen folgen, die die Verhängung der Todesstrafe gegen Minderjährige unter allen Umständen ausschließen.
Hintergrund
In Saudi-Arabien wird die Todesstrafe häufig verhängt und vollstreckt. Das Königreich hat 2019 eine Rekordzahl von Menschen hingerichtet − trotz eines allgemeinen Rückgangs der weltweiten Hinrichtungszahlen. In ihrem jüngsten Jahresbericht zur Todesstrafe dokumentiert Amnesty, dass im vergangenen Jahr in dem Land 184 Menschen exekutiert wurden, darunter auch ein Jugendlicher. Dies ist die höchste Zahl, die Amnesty unter Einbeziehung der Zahlen des Innenministeriums seit dem Jahr 2000 verzeichnen musste.
Mehr zum Thema findest du hier auf der Website von Amnesty Deutschland.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe