Eine Handvoll Staaten ist unverändert für die Masse der weltweit gezählten Hinrichtungen verantwortlich. Das dokumentiert der neue Amnesty-Bericht zur Todesstrafe. Er zeichnet für das abgelaufene Jahr 2018 ein gemischtes Bild, geprägt von Fortschritten aber auch von Rückschlägen.
FORTSCHRITTE IM JAHR 2018
Der weltweite Konsens wächst, dass die Todesstrafe in die Geschichtsbücher verbannt werden sollte. Immer mehr Staaten setzen Hinrichtungen aus oder schaffen die Todesstrafe per Gesetz ab. Die jüngsten Recherchen von Amnesty International über die Anwendung der Todesstrafe im Jahr 2018 zeigen, dass diese Strafe lediglich noch von einer Minderheit von Staaten verhängt und vollstreckt wird.
Die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen ging 2018 gegenüber dem Vorjahr um über 30 Prozent zurück und stellt den niedrigsten Wert der letzten zehn Jahre dar. Diese erhebliche Abnahme hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen haben einige derjenigen Länder, die weltweit immerfort für das Gros der Hinrichtungen verantwortlich sind wie Irak, Iran, Pakistan und Somalia die Anwendung der Todesstrafe zurückgefahren. Zum anderen verringerte sich auch die Zahl der Länder, von denen bekannt wurde, dass sie Hinrichtungen durchgeführt haben. Mindestens 690 Gefangene sind im Jahr 2018 in 20 Staaten exekutiert worden. Diese Angaben beinhalten allerdings wegen Geheimhaltung nicht die in der Volksrepublik China vollstreckten Todesurteile, die mutmaßlich in die Tausende gehen, so dass die globale Gesamtzahl mit Sicherheit um einiges höher liegt.
Mehrere Länder haben im Laufe des Jahres 2018 ihre Bemühungen vorangetrieben, die Todesstrafe vollständig aufzugeben. Burkina Faso hat im Juni die Todesstrafe in Friedenszeiten und somit für gewöhnliche Verbrechen abgeschafft. Im Februar erklärte Gambia ein offizielles Hinrichtungsmoratorium und im September wurde das Land Vertragsstaat eines Völkerrechtsabkommens mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen.
Etliche Länder haben die Todesstrafe in der Praxis außer Vollzug gesetzt. 2018 kamen weitere Staaten hinzu, die noch 2017 Hinrichtungen durchgeführt hatten, darunter Bangladesch, Jordanien und Kuwait.
Staaten unternahmen auch 2018 gesetzgeberische Schritte, um die Anwendung der Todesstrafe zu beschränken. So hat die Regierung von Malaysia im Juli einen Hinrichtungsstopp verfügt und im Oktober angekündigt, die Todesstrafengesetze zu reformieren. Im selben Monat wurde das Todesstrafengesetz im US-Bundesstaat Washington für verfassungswidrig erklärt.
Auf internationaler Ebene verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einer Zustimmung auf Rekordniveau ihre siebte Resolution, die Staaten, die die Todesstrafe beibehalten, auffordert, ein Hinrichtungsmoratorium einzurichten, mit dem Ziel, diese Strafe aufzugeben.
RÜCKSCHRITTE IM JAHR 2018
Nur eine zunehmend isolierte Minderheit von Staaten führt noch Hinrichtungen durch. 2018 waren lediglich vier Staaten für 78 Prozent aller bekannt gewordenen Exekutionen verantwortlich: Iran, Saudi-Arabien, Vietnam und Irak. China muss in dieser Bilanz unberücksichtigt bleiben, weil das Land Angaben zur Todesstrafe verheimlicht. Es gehört zur bitteren Realität, dass derzeit weltweit mehr als 19.300 Menschen in der Todeszelle sitzen und damit rechnen müssen, dass das Todesurteil an ihnen vollstreckt wird.
Im Jahr 2018 waren auch Rückschritte zu beobachten. Staaten wirkten dem weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe entgegen. Botsuana, Sudan, Taiwan und Thailand nahmen nach Unterbrechungen die Vollstreckung der Todesstrafe wieder auf. Länder wie Belarus, Japan, Singapur, Südsudan und die USA richteten im Vergleich zum Vorjahr mehr Menschen hin, Ägypten und Irak verhängten deutlich mehr Todesurteile. Die Behörden Vietnams machen selten Zahlen über die Todesstrafe öffentlich. Neue Angaben zu 2018 zeigen jedoch, wie stark das Land auf die Todesstrafe zurückgreift, was Vietnam zu einem der „Top Henkerstaaten“ macht. Weltweit wurden im Jahr 2018 insgesamt mindestens 2.531 Menschen in 54 Ländern zum Tode verurteilt, eine Zahl, die sich kaum vom Vorjahr unterscheidet. Diese Angaben beinhalten allerdings wegen Geheimhaltung nicht die in der Volksrepublik China gefällten Todesurteile, die vermutlich mehrere Tausend betragen, so dass die globale Gesamtzahl mit Sicherheit um einiges höher liegt.
Amnesty International ist nach wie vor in Sorge, dass in der Mehrheit der Länder, die Menschen zum Tode verurteilen oder hinrichten, die Todesstrafe nach Prozessen verhängt wird, die nicht den internationalen Rechtsstandards für ein faires Gerichtsverfahren entsprechen.
Viele Staaten verurteilen Menschen zum Tode und führen auch Hinrichtungen für Delikte durch, die nicht zu den „schwersten Verbrechen“ zählen. Darunter sind ausschließlich vorsätzliche Straftaten mit tödlichem Ausgang zu verstehen, eine Schwelle, die das Völkerrecht für die Verhängung eines Todesurteils setzt. Straftatbestände wie Drogendelikte, Korruption, „Blasphemie“, Entführung oder „Verbrechen gegen den Staat“ gehören eindeutig nicht in diese Kategorie.
Auch zwingend vorgeschriebene Todesurteile wurden weiterhin in Ländern wie Ghana, Iran, Malaysia, Myanmar, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabien und Singapur verhängt. Sie sind mit Menschenrechtsprinzipien unvereinbar, da sie weder die persönlichen Lebensumstände eines Angeklagten noch die Umstände des jeweiligen Verbrechens berücksichtigen.
Unter Missachtung des Völkerrechts erweiterten einige Staaten den Anwendungsbereich der Todesstrafe. Bangladesch, Indien, Mauretanien und Nigeria (Bundesstaat Rivers State) nahmen neue Gesetze an, die Straftaten wie Drogendelikte, Vergewaltigung, „abtrünnige Handlungen“ und Entführung zusätzlich unter Todesstrafe stellten.
Internationale Menschenrechtsverträge verbieten es, Menschen zum Tode zu verurteilen, die zur Tatzeit noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hatten. Iran richtete dennoch im Jahr 2018 mindestens sieben jugendliche Straftäterinnen und Straftäter hin. Trotz Verbots wurden 2018 auch wieder Menschen mit mentalen oder intellektuellen Behinderungen in mehreren Ländern hingerichtet oder saßen im Todestrakt ein, unter anderem in Japan, Malediven, Pakistan und den USA.
Die Welt hat einen kritischen Punkt überschritten und die Abschaffung der grausamsten, unmenschlichsten und erniedrigendsten Strafe ist in Reichweite gerückt. Amnesty International wendet sich in ausnahmslos jedem Fall gegen die Todesstrafe und setzt sich für ihr weltweites Ende ein.
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