Nach einer Kabinettssitzung am 13. März 2019 kündigte der für Rechtsangelegenheiten zuständige stellvertretende Minister Mohamed Hanipa Maidin dem Parlament an, dass die Regierung Malaysias einen Erlass vorschlagen werde, der die zwingende Todesstrafe abschafft. Zukünftig sollen die Richterinnen und Richtern einen Ermessensspielraum haben, der es ihnen überlässt, die Todesstrafe oder eine Haftstrafe für elf Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch und dem Gesetz über Schusswaffen von 1971 zu verhängen.
Die Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe bedeutet dennoch einen Rückschritt, da die Regierung noch im Oktober letzten Jahres ihre Zusage gab, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen. Nach Regierungsangaben befinden sich rund 1.200 Gefangene in den Todestrakten malaysischer Gefängnisse. Derzeit ist die Todesstrafe noch vorgesehen für eine breite Palette von Straftaten wie Drogenhandel, Mord, Entführung, Terrorismus und unter bestimmten Umständen für vorsätzlichen Schusswaffengebrauch. Es wird erwartet, dass das Parlament bis zum 11. April über die Gesetzentwürfe zur Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe beraten und abstimmen wird.
„Wir fordern die Regierung dazu auf, ihr Versprechen, die Todesstrafe bei nächster Gelegenheit ein für alle Mal abzuschaffen, einzuhalten“, sagte Shamini Darshni Kaliemuthu, Geschäftsführerin der malaysischen Sektion von Amnesty International. „Die enttäuschende Entscheidung scheint darauf hinzudeuten, dass die Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe ein verwässerter Kompromiss ist, mit dem sich die Regierung offenbar politischem und öffentlichem Druck zur Aufrechterhaltung der Todesstrafe beugt. Die Regierung muss diesen Schritt noch einmal überdenken. Die Todesstrafe ist die ultimativ grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe, die keinen Platz in einer zivilisierten Gesellschaft hat“, sagte Shamini.
Die Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe würde zwar eine entscheidende Änderung des malaysischen Strafgesetzes bedeuten, die zu Fortschritten beim Schutz der Rechte derjenigen führen wird, denen die Todesstrafe droht. Die Einführung des vollen Ermessensspielraums bei der Verurteilung würde es den Richterinnen und Richtern ermöglichen, die individuellen Umstände des Täters sowie der Straftat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen und dabei alle mildernden Faktoren einzubeziehen. Dies könnte eventuell zu einer Verringerung der Anzahl der verhängten Todesurteile führen. Aber dies ist nicht genug. Die Einschränkung der Todesstrafe ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das Ziel muss die Abschaffung der Todesstrafe sein.
Frau Shamini erinnerte daran, dass das Strafjustizsystem in jedem Land weit davon entfernt ist, perfekt zu sein, und Fehler können und werden passieren. Die Todesstrafe ist ihrer Natur nach irreversibel, Fehlurteile können nicht korrigiert werden. Die Todesstrafe ist zudem eine Bestrafung, die den Kreislauf der Gewalt in der Gesellschaft endlos fortsetzt. Sie wird von Justizsystemen verhängt und vollstreckt, die für Diskriminierung und Irrtum anfällig sein können − insbesondere dann, wenn Schutzvorkehrungen gegen Folter oder andere Misshandlungen fehlen, um Angeklagte so vor dem Erpressen von „Geständnissen“ zu bewahren.
„Die Regierung muss den Kurs beibehalten und die Todesstrafe beenden. Die vollständige Abschaffung der Todesstrafe wäre ein beispielhafter Schritt für Malaysias Versprechen, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen. Dies würde in der südostasiatischen Region großen Anklang finden und Malaysia könnte eine Führungsrolle im Bereich der Menschenrechte übernehmen.“
Amnesty International Malaysia fordert die Regierung und die Gefängnisbehörden im ganzen Land auf, das im Juli 2018 festgelegte Moratorium für alle Hinrichtungen aufrechtzuerhalten.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 17. März 2019