Die Republik Südsudan ist ein junger Staat im Nordosten Afrikas. Das Land hat 2018 mehr Hinrichtungen durchgeführt als in jedem anderen Jahr seit seiner Unabhängigkeit im Juli 2011. Von sieben Personen ist bekannt, dass sie von Mai bis Ende Oktober 2018 am Galgen endeten, darunter auch ein Jugendlicher. Im Februar 2019 erhielt Amnesty International Berichte, wonach binnen Monatsfrist erneut mindestens sieben Todesurteile vollstreckt wurden.
Amnesty international fürchtet um das Leben von weiteren 135 Gefangenen, die im Laufe des Jahres 2018 aus anderen Gefängnissen im ganzen Land zu zwei Hafteinrichtungen verbracht wurden, die für die Vollstreckung von Todesurteilen berüchtigt sind.
„Es ist äußerst beunruhigend, dass ausgerechnet die jüngste Nation der Welt diese überholte, unmenschliche Praxis übernommen hat und Menschen, sogar Minderjährige, exekutiert und das zu einer Zeit, wo der Rest der Welt diese abscheuliche Strafe aufgibt“, sagt Dr. Joan Nyanyuki, Regionaldirektorin von Amnesty International für Ostafrika, das Horn und die Großen Seen. „Der Präsident muss die Unterzeichnung von Hinrichtungsbefehlen stoppen und diese offensichtliche Verletzung des Rechts auf Leben beenden.“
Amnesty International hat ermittelt, dass in Südsudan (Stand 22. November 2018) mindestens 342 Menschen zum Tode verurteilt waren, mehr als doppelt so viele wie noch 2011. Im Jahr 2017 hatten die südsudanesischen Behörden vier Personen exekutiert, von denen zwei zum Zeitpunkt der Verbrechen, für die sie verurteilt wurden, minderjährig waren. Die Hinrichtungen waren ein eklatanter Verstoß gegen nationale und internationale Vorschriften, die die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt waren, streng untersagen.
Die südsudanesische Regierung hat in mehreren Pressemitteilungen von Anfang Dezember 2018 die Anwendung der Todesstrafe in Abrede gestellt. Amnesty International hat jedoch glaubwürdige Informationen aus mehren unabhängigen Quellen erhalten, dass diese Hinrichtungen tatsächlich stattgefunden haben.
2018 interviewte Amnesty International einen 16-jährigen Jungen, der im Juba-Zentralgefängnis in der Todeszelle saß, nachdem er wegen Mordes verurteilt worden war. Während seines Prozesses hatte er keinen Anwalt. Er bezeichnete das Verbrechen als einen Unfall. Der Junge sagte, er habe den Richter darauf hingewiesen, dass er erst 15 Jahre alt ist. Vergeblich – das Gericht fällte trotzdem das Todesurteil. Nun wartet er darauf, dass sein Rechtsmittel vom Gericht geprüft wird. Vor der mutmaßlichen Tat war der Jugendliche Schüler einer Sekundarschule.
Staatlich sanktionierte Tötungen
Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2011 haben südsudanesische Gerichte mindestens 140 Personen zum Tode verurteilt und die Behörden mindestens 39 Gefangene hinrichten lassen.
Die Zunahme an Hinrichtungen, die während des Jahres 2018 zu beobachten waren, geht mutmaßlich auf eine Direktive des Generaldirektors des Nationalen Gefängniswesens vom 26. April 2018 zurück. Darin ordnet er an, dass alle Todeskandidatinnen und -kandidaten, die in den Bezirks- und Staatsgefängnissen Südsudans gefangen gehalten wurden, in zwei der berüchtigtsten Todestrakte des Landes verlegt werden – in das Wau- bzw. Juba-Zentralgefängnis. Mindestens 135 Todeshäftlinge wurden im Zuge dieser Maßnahme verlegt, darunter mindestens ein Jugendlicher und eine stillende Mutter.
„Die Versetzung von 135 Todeskandidaten in die Gefängnisse in Juba und Wau, in denen bisher alle Hinrichtungen stattgefunden haben, ist zutiefst beunruhigend. Die südsudanesische Regierung muss sofort ein offizielles Hinrichtungsmoratorium einrichten, alle Todesurteile in Haftstrafen umwandeln und die Todesstrafe vollständig abschaffen“, sagt Joan Nyanyuki. Jeder Versuch, eine stillende Frau zu exekutieren, würde sowohl gegen südsudanesisches Recht als auch gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen.
Wie sehr die Befürchtungen berechtigt waren, zeigen jüngste Berichte, wonach mindestens sieben Männer im Laufe des Februars 2019 exekutiert wurden. Drei dieser Todesurteile wurden offenbar unter Geheimhaltung vollstreckt. Amnesty konnte in Erfahrung bringen, dass in mindestens vier Fällen die Todesstrafe wegen Mordes ergangen war. Diese jüngsten Fälle bestätigen die Befürchtungen, dass die südsudanesischen Behörden absolut nicht gewillt sind, dem Recht auf Leben Respekt zu zollen.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, unabhängig von der Art oder den Umständen des Verbrechens, der Schuld, der Unschuld oder anderen Eigenschaften des Täters oder der vom Staat angewandten Methode zur Vollstreckung der Todesstrafe.
Die Todesstrafe ist die vorsätzliche und kaltblütige Tötung eines Menschen durch den Staat im Namen der Gerechtigkeit. Sie ist die grundlegendste Missachtung der Menschenrechte. Sie verstößt gegen das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verkündete Recht auf Leben und sie ist die ultimativ grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe.
Hintergrund
Das Strafgesetzbuch Südsudans sieht die Anwendung der Todesstrafe für Mord vor. Führt eine bewusste Falschaussage zur Hinrichtung einer unschuldigen Person, kann derjenige, der dies verursacht hat, ebenfalls mit dem Tode bestraft werden. Unter Todesstrafe stehen ferner Terrorismus, Banditentum, Aufstand oder Sabotage, wenn dabei eine Person zu Tode kommt. Des Weiteren kann ein besonders schwerer Fall von Drogenhandel sowie Regierungsumsturz und Hochverrat mit dem Tode bestraft werden.
Die Strafprozessordnung sieht vor, dass Todesurteile durch den Strang vollstreckt werden. Bevor eine zum Tode verurteilte Person hingerichtet werden kann, müssen der Oberste Gerichtshof und der Präsident das Todesurteil bestätigen.
♦ Mehr über die Anwendung der Todesstrafe in Südsudan lesen Sie in diesem englischsprachigen Bericht, veröffentlicht im Dezember 2018 [klick hier].
♦ Was können Sie tun?
– Richten Sie einen Appell an den Präsidenten [Musterbrief, klick hier].
– Sammeln Sie Protest-Unterschriften [Vorlage Petition, klick hier].
– Deutsche Übersetzung des Petitionstextes [Übersetzung, klick hier]
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 02. März 2019