Die weißrussische Menschenrechtsorganisation Viasna teilte am 27. November 2018 unter Berufung auf Angehörige mit, dass zwei Todesurteile im Geheimen vollstreckt worden seien – mutmaßlich in der Nacht vom 19. auf den 20. November 2018. Belarus unterstreicht damit seine Rolle als letztes Land in Europa und dem gesamten post-sowjetischen Raum, in dem die Todesstrafe noch angewendet wird. Amnesty International, die Europäische Union und der Europarat hatten sowohl die Verhängung als auch die Vollstreckung der Todesstrafen gegen die beiden Männer scharf verurteilt. Sie appellierten an Belarus, unverzüglich den Vollzug der Todesstrafe auszusetzen und ein Moratorium für ihre Vollstreckung zu verhängen.
Am 21. Juli 2017 waren Ihar Hershankou und Siamion Berazhnoy vom Regionalgericht Mahiliou im Osten von Belarus zum Tode verurteilt worden. Die beiden 32 und 37 Jahre alten Männer waren für schuldig befunden worden, zwischen 2009 und 2015 sechs Menschen getötet zu haben, um sich deren Eigentum anzueignen. Im Juni 2018 hatte das Oberste Gericht von Belarus in einem bisher nicht dagewesenen Schritt zwar die Todesurteile gegen Ihar Hershankou und Siamion Berazhnoy für einen Monat ausgesetzt, sie aber schlussendlich doch bestätigt. Auch Präsident Alyaksandr Lukashenka lehnete wie üblich die eingereichten Gnadengesuche ab.
„Wir sind schockiert, diese Nachricht wenige Wochen nach unserem Besuch in Belarus zu hören, wo wir uns mit den dortigen Behörden über die Fortschritte bei der Abschaffung der Todesstrafe ausgetauscht haben“, sagt Marie Struthers, die für Osteuropa und Zentralasien zuständige Direktorin von Amnesty International. “Es ist wie ein Paralleluniversum. Einerseits kooperieren die belarussischen Behörden mit der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf ein Ende der Todesstrafe und setzen gleichzeitig unter Geheimhaltung Hinrichtungen fort.” Sie rief Belarus dazu auf, alle Hinrichtungen zu stoppen, „als klares Zeichen dafür, dass es im Todestrakt nicht so weiter geht wie üblich.“
In Belarus werden Datum und Uhrzeit einer Hinrichtung weder davor angekündigt noch danach mitgeteilt, auch wird kein letztes Treffen mit Angehörigen gewährt. Die zum Tode Verurteilten werden mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Nach belarussischem Recht wird der Leichnam der Hingerichteten nicht an deren Familien zur Bestattung ausgehändigt. Die Angehörigen erhalten zudem keine Informationen darüber, wo sie begraben wurden.
Belarus ist das einzige Land in Europa und Zentralasien, das nach wie vor die Todesstrafe anwendet. In diesem Jahr sind mindestens vier Gefangene hingerichtet worden. Mindestens zwei weiteren Menschen droht akut die Hinrichtung. Amnesty International lehnt die Todesstrafe in allen Fällen ohne Ausnahme ab. Sie verstößt gegen das Recht auf Leben, das durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert wird. Sie ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 02. Dezember 2018