Die rund 4,4 Millionen hessischen Wählerinnen und Wähler haben am Sonntag, 28. Oktober, nicht nur einen neuen Landtag gewählt, sondern auch die Todesstrafe im Land nach 72 Jahren endgültig abschafft.
Todesstrafe im Bundesland Hessen?
Die Wahlberechtigten waren am 28. Oktober auch dazu aufgerufen, in einer Volksabstimmung über eine Reform der Landesverfassung abzustimmen. Eine der insgesamt 15 Änderungen betrifft einen Artikel zur Todesstrafe. Der Artikel 21, Absatz 1 der hessischen Landesverfassung sieht die Todesstrafe vor. Doch diese wird in Hessen bekanntermaßen schon seit Jahrzehnten weder verhängt noch vollstreckt. Das wäre auch gar nicht möglich, denn die Todesstrafe ist durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 1949 abgeschafft worden und schließlich gilt der Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“.
Hessen ist das einzige Bundesland, in dem die Todesstrafe noch in der Verfassung verblieben ist. Zuletzt hatte Bayern einen ähnlichen Artikel 1998 geändert. Die Todesstrafe in der Landesverfassung Hessens ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Dort heißt es „Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden“ und weiter „Die Bestätigung eines Todesurteils bleibt der Landesregierung vorbehalten“.
Es sind historische Gründe, die zu diesem Kuriosum geführt haben. Die hessische Verfassung ist die älteste in der Bundesrepublik Deutschland. Sie trat Ende 1946 in Kraft, also drei Jahre vor dem Grundgesetz. Die Todesstrafe wurde zu einer Zeit bedauerlicherweise in die Verfassung Hessens aufgenommen, als noch die Auffassung vorherrschte, dass der Staat das Recht habe, über das Leben eines Straftäters bzw. einer Straftäterin verfügen zu können. In späteren Jahren war es nicht leicht, die Todesstrafe wieder aus der Landesverfassung zu entfernen, denn diese zu ändern ist an hohe Hürden geknüpft. So bedarf es im Bundesland Hessen einerseits einer absoluten Mehrheit im Landtag und andererseits immer auch einer Zustimmung der Bevölkerung in einem Referendum. Es gab zwar verschiedentlich Bestrebungen, die Verfassung zu reformieren, doch es gelang mehrmals nicht, die dazu notwendigen parlamentarischen Mehrheiten herzustellen. Die Streichung der Todesstrafe allerdings war seit Jahrzehnten zwischen den politischen Parteien unstrittig.
Todesstrafe abgeschafft
Die Wählerinnen und Wähler haben nun mit großer Mehrheit der Reform der Landesverfassung zugestimmt. Die Wahlberechtigten konnten das Reformpaket in Gänze annehmen oder es ablehnen, waren aber auch frei, einzelnen Punkten der 15 Änderungspassagen zuzustimmen oder sich dagegen auszusprechen. Alle 15 Änderungsvorschläge wurden laut Landeswahlleiter angenommen. 83,2 Prozent der Stimmberechtigten votierten für die Streichung der Todesstrafe.
Amnesty International appelliert fortwährend an Staaten, die noch an der Todesstrafe festhalten, diese aufzugeben. Deshalb sorgt der jetzt eingefügte schlichte wie kategorische Satz in der Verfassung Hessens „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ für Klarheit und hilft, jegliches Missverständnis schon im Ansatz zu vermeiden, in Teilen Deutschlands hielte man sich ein Hintertürchen zur Verhängung der Kapitalstrafe offen. Die Tilgung auch dieses allerletzten Verfassungsbezugs zur Todesstrafe in Deutschland war zweifellos überfällig. Amnesty begrüßt ausdrücklich jegliche Initiative, die Todesstrafe zu überwinden, auch dann, wenn es sich wie in Hessen „nur“ um einen symbolischen Akt handelt.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 01.11.2018