Taiwan: Hinrichtung macht Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Todesstrafe zunichte

Am Freitagnachmittag, 31. August 2018, wurde der 39-jährige Lee Hung-chi in Taiwan von einem Erschießungskommando durch einen gezielten Schuss ins Herz hingerichtet. Es handelt sich um die erste Vollstreckung eines Todesurteils des Landes seit Präsidentin Tsai Ing-wen im Mai 2016 ihr Amt antrat.

Die Direktorin von Amnesty International in Taiwan, Annie Huang, sprach in einer ersten Reaktion von einem bedrückenden Rückschlag für die Hoffnung, die Todesstrafe in dem Inselstaat in Ostasien abzuschaffen. „Es ist zutiefst enttäuschend, dass Taiwan beschlossen hat, den Vollzug dieser grausamen Bestrafung wieder aufzunehmen, insbesondere nachdem Präsidentin Tsai Ing-wen klar gesagt hatte, dass ihre Regierung ein Ende der Todesstrafe anstrebe. Dieses Versprechen klingt jetzt hohl. Die Hinrichtung von heute ist […] ein Akt, der einen Schatten auf Tsais Präsidentschaft wirft. Die Todesstrafe ist die ultimative Verweigerung der Menschenrechte und kann niemals zu Gerechtigkeit oder Verantwortlichkeit führen. Wir appellieren erneut an die taiwanesischen Behörden, ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen als ersten Schritt zur endgültigen Abschaffung der Todesstrafe einzuführen.“

Der hingerichtete Mann war 2014 wegen Mordes vom Bezirksgericht Kaohsiung zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Später änderte das Obere Gericht Taiwans die Strafe in eine Todesstrafe um − eine Maßnahme, die 2016 vom Obersten Gerichtshof des Landes bestätigt wurde.

Die Todesstrafe ist die äußerste Form grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Strafe. Amnesty International lehnt die Todesstrafe in allen Fällen ohne Ausnahme ab und setzt sich seit über 40 Jahren für ihre Abschaffung ein. Die Menschenrechtsorganisation ist überzeugt davon, dass die Todesstrafe weder eine besondere abschreckende Wirkung hat noch dazu beitragen kann, die Kriminalitätsrate zu senken. Solange die Todesstrafe beibehalten wird, kann das Risiko, Unschuldige hinzurichten, nicht ausgeschlossen werden. Kein Rechtssystem, so gewissenhaft es auch arbeitet, ist unfehlbar.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 03. September 2018