Guatemala macht (fast) Schluss mit der Todesstrafe

Das Verfassungsgericht von Guatemala hat ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Es hat die Todesstrafe aus dem Bereich des zivilen Strafrechts gestrichen. Der Gerichtshof hatte seine Entscheidung am 24. Oktober 2017 verkündet. Mit einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Regierung wurde die Regelung am 7. November wirksam.

Das Verfassungsgericht erklärte die Paragrafen im Strafgesetzbuch und im Anti-Betäubungsmittel-Gesetz, die die Verhängung der Todesstrafe vorsahen, für verfassungswidrig. Der Gerichtshof urteilte, dass sie das Legalitätsprinzip und das in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention verankerte Verbot der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Todesstrafe verletzen. Das Gericht hatte bereits im März 2016 die zwingende Todesstrafe verboten, die laut Strafgesetzbuch unter bestimmten Umständen für besonders schweren Mord vorgesehen war.

Die Todesstrafe ist in dem mittelamerikanischen Staat bereits seit längerem nicht mehr angewendet worden. Seit Juli 2002 war ein Hinrichtungsmoratorium in Kraft. Die letzten zwei Hinrichtungen fanden am 29. Juni 2000 statt und wurden per Giftspritze vollzogen. Der Vollzug der Todesstrafe kam zum Erliegen, als ein Gesetz aufgehoben wurde, das das Verfahren für die Behandlung von Gnadengesuchen an die Adresse des Präsidenten festlegte. Einer verurteilten Person war fortan das Recht verwehrt, um Gnade, Straferlass oder Umwandlung des Strafurteils zu bitten. Dieser Vorgang stellte einen Verstoß gegen die von Guatemala ratifizierte Amerikanischen Menschenrechtskonvention dar. Seit 2013 gab es auch keine Todestraktinsassen mehr in Guatemala, nachdem das letzte Todesurteil umgewandelt worden war. In der Praxis wurde die Todesstrafe vor ihrer Abschaffung nur selten in Guatemala ausgesprochen. Todesurteile wurden von Exekutionskommandos durch Erschießen vollstreckt. Seit 1997 ersetzte die Giftspritze diese Hinrichtungsmethode.

Rein rechtlich wäre die Todesstrafe bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts bei Mord möglich gewesen. Zudem wäre sie bei der Ermordung des Präsidenten, dessen Stellvertreters oder auch bei tödlich verlaufenen Entführungen und Drogenhandel mit Todesfolge als Strafmaß erlaubt gewesen. Zumindest auf dem Papier bleibt sie im Militärjustizwesen Guatemalas bis auf weiteres in Kraft.

Guatemala ist nun der 142. Staat, der die Todesstrafe je jure oder de facto abgeschafft hat. Amnesty International bezeichnete diese Entscheidung als einen Meilenstein, auf den die Behörden bauen sollten, um die Todesstrafe vollständig in die Geschichtsbücher zu verbannen. Dem Kongress liegt aktuell ein Gesetzentwurf (Nr. 5100) zur Beratung und Abstimmung vor, der die restlose Abschaffung der Todesstrafe beinhaltet. Der Gesetzentwurf war zuvor bereits von den drei parlamentarischen Ausschüssen für Menschenrechte, Justizreform sowie Legislativ- und Verfassungsfragen gemeinsam gebilligt worden.

Auf dem amerikanischen Kontinent und der Karibik befindet sich die Todesstrafe auf dem Rückzug. Als einziges Land in der Region haben die USA in den letzten neun Jahren Hinrichtungen vollzogen. Nur drei weitere Länder – Barbados, Guyana und Trinidad und Tobago – haben Todesurteile verhängt. Antigua und Barbuda, die Bahamas, Belize, Kuba, Jamaika und St. Lucia haben in den letzten Jahren leere Todestrakte gemeldet, nachdem die letzten Todesurteile umgewandelt worden waren. Suriname hob 2015 die Todesstrafe auf. Somit ist Guyana das einzige Land in Südamerika, das noch an der Todesstrafe festhält.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 19. November 2017