Eingesperrt und vergessen: Ghana muss die Todesstrafe abschaffen

Im westafrikanischen Ghana sind seit Juli 1993 keine Menschen mehr hingerichtet worden. Aber Todesurteile werden weiterhin verhängt. Ende 2016 waren 148 Gefangene in der Todeszelle, darunter vier Frauen. Alle wurden wegen Mordes zum Tode verurteilt. 62 befinden sich seit mehr als fünf Jahren in Haft. Sechs Gefangene gelten als geistig behindert. Obwohl die Todesstrafe seit geraumer Zeit in Ghana außer Vollzug ist, konnten sich die politisch Verantwortlichen bis dato weder zu einem offiziellen Moratorium für Hinrichtungen noch zu ihrer Abschaffung durchringen.

Amnesty International hat jüngst eine Untersuchung in Ghana durchgeführt und dabei 107 Todeshäftlinge befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Anwendung der Todesstrafe Anlass zur Besorgnis gibt. So kommt es immer wieder zu einer Verletzung des Rechts auf ein faires gerichtliches Verfahren. Damit wird ein wesentlicher Grundsatz eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens nicht erfüllt. Viele Gefangene gaben an, anwaltlich nicht adäquat vertreten worden zu sein. Seit 2006 haben nur zwölf Todeskandidaten Berufung gegen ihr Urteil eingelegt. Auch die Haftbedingungen im Todestrakt werden als schlecht eingestuft. Die Gefängnisse sind überfüllt und unzureichend ausgestattet. Die medizinische Betreuung ist mangelhaft. Es gibt kaum sanitäre Einrichtungen und nicht genügend Schlafplätze. Die zum Tode Verurteilten sind von anderen Häftlingen isoliert und haben keinen Zugang zu Bildungs- oder Freizeitaktivitäten.

Amnesty International fordert die ghanaischen Behörden dringend auf, die Todesurteile aller Menschen, die derzeit in der Todeszelle einsitzen, umzuwandeln und die Todesstrafe für alle Verbrechen abzuschaffen. Bereits 19 der 54 afrikanischen Staaten sind diesen Weg gegangen und haben der Todesstrafe ein Ende gesetzt. Eine Kommission zur Überarbeitung der Verfassung Ghanas hatte Ende 2011 empfohlen, die Todesstrafe in der neuen Verfassung des Landes formell abzuschaffen. Dass diese klare Wegweisung auch sechs Jahre danach noch nicht umgesetzt wurde, ist beschämend.

Ghana feiert in diesem Jahr den 60. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Dies ware ein guter Anlass, „diese grausame Strafe abzuschaffen und das Leiden der Todeskandidaten zu beenden, die eingesperrt und vergessen worden sind“, sagt Alioune Tine, Direktor von Amnesty International für die Region West- und Zentralafrika.

MEHR DAZU:
Unter dem Titel „Eingesperrt und vergessen: Die Notwendigkeit, die Todesstrafe in Ghana abzuschaffen – Locked up and forgotten: The need to abolish the death penalty in Ghana“ liegt ein aktueller englischsprachiger Bericht zur Lage vor [klick hier].

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 12. Juli 2017

26. Dezember 2019