Die Menschenrechte in der Türkei sind nach einem blutigen Putschversuch am Freitag, den 15. Juli, bei dem mindestens 208 Personen starben und mehr als 10.000 Personen festgenommen wurden, ernsthaft in Gefahr. Besonders beunruhigend ist die Verhängung des Ausnahmezustands am 20. Juli. Mehrere Regierungsangehörige haben sich für eine Wiedereinführung der Todesstrafe für die am Putschversuch Beteiligten ausgesprochen.
„Allein die Zahl der Festnahmen und Suspendierungen seit Freitag ist alarmierend, und wir beobachten die Lage sehr genau. Der Putschversuch hat ein erschreckendes Maß an Gewalt freigesetzt, und die Personen, die für rechtswidrige Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, müssen juristisch zur Verantwortung gezogen werden, aber nicht, indem man kritische Stimmen unterdrückt und mit der Wiedereinführung der Todesstrafe droht“, so John Dalhuisen, Programmleiter für Europa und Zentralasien von Amnesty International.
„Wir fordern die türkischen Behörden auf, sich bei der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zu mäßigen und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren. Allen Inhaftierten muss ein faires Verfahren gewährleistet werden und diejenigen, gegen die keine konkreten Beweise für die Beteiligung an einer Straftat vorliegen, müssen freigelassen werden. Ein Rückschritt in Sachen Menschenrechte ist das Letzte, was die Türkei jetzt brauchen kann.“
Äußerungen seitens des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und Regierungsmitgliedern hinsichtlich einer möglichen rückwirkenden Wiedereinführung der Todesstrafe für alle, die an dem Putschversuch beteiligt waren, geben großen Anlass zur Sorge. Dies würde sowohl gegen Menschenrechtskonventionen verstoßen, zu deren Vertragsstaaten die Türkei gehört, als auch gegen Schutzbestimmungen in der türkischen Verfassung.
Das Parlament der Türkei hatte am 7. Mai 2004 den Weg für die vollständige Abschaffung der Todesstrafe geebnet: Es stimmte einem Gesetz zu, das alle Bestimmungen mit Bezug auf die Todesstrafe aus Artikel 15 der Verfassung strich. In Artikel 38 der Verfassung wurde die Aussage eingefügt „Die Todesstrafe darf nicht verhängt werden.“ Sie wurde in der Folge durch die lebenslange Freiheitsstrafe als neue Höchststrafe ersetzt. Das letzte Todesurteil ist in der Türkei 1984 vollstreckt worden.
„Für die türkische Regierung ist es wichtiger denn je, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren, anders, als es die für den Putsch Verantwortlichen getan haben“, mahnte John Dalhuisen. “Kein Land kann Mitgliedstaat der EU werden, wenn es die Todesstrafe einführt, warnte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
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Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 28. Juli 2016