In Saudi-Arabien wurden am 2. Januar 47 Menschen hingerichtet. Damit zeigt die Regierung einmal mehr ihre völlige Missachtung der Menschenrechte. Unter den Hingerichteten befand sich auch der bekannte schiitische Geistliche Scheich Nimr Baqir al-Nimr. Er war nach einem politisch motivierten und hochgradig unfairen Prozess von einem Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt worden. Neben dem Scheich und drei weiteren schiitischen Aktivisten wurden die anderen Personen wegen Terrorvorwürfen im Zusammenhang mit Al-Qaida zum Tode verurteilt.
„Die saudi-arabischen Behörden haben die Hinrichtungen mit dem sogenannten Kampf gegen den Terror gerechtfertigt. Insbesondere die Exekution von Scheich Nimr Baqir al-Nimr zeigt aber, dass die saudi-arabische Regierung Todesurteile wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten auch als politisches Instrument einsetzt, um alte Rechnungen zu begleichen und Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen“, kritisiert Philip Luther, Programmdirektor bei Amnesty International für den Mittleren Osten und Nordafrika.
Scheich Nimr Baqir al-Nimr war ein entschiedener Gegner des sunnitischen Königshauses in Riad und war einer der sieben Aktivisten, deren Todesurteile im Jahr 2015 vom Obersten Gerichtshof in Saudi-Arabien bestätigt worden waren. Sie alle wurden wegen ihrer Teilnahme an den Protesten 2011 und ihren Forderungen nach politischen Reformen in der mehrheitlich schiitischen Ostprovinz zum Tode verurteilt.
Nicht zu den Hingerichteten gehören gemäss den vorliegenden Informationen Ali al-Nimr, der Neffe des schiitischen Geistlichen, sowie zwei weitere zum Tode Verurteilte – Abdullah al-Zaher und Dawood Hussein al-Maroon – , die zum Zeitpunkt der ihnen angelasteten Taten noch minderjährig waren. Amnesty International setzt sich weiterhin dafür ein, dass diese Urteile nicht vollstreckt werden. Die Anwendung der Todesstrafe auf unter 18-Jährige ist völkerrechtswidrig.
Saudi-Arabien gehört seit langem zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit. Im vergangenen Jahr nahmen die Hinrichtungen nochmals drastisch zu: Zwischen Januar und November wurden mindestens 151 Personen hingerichtet – ein trauriger Höchstwert seit knapp 20 Jahren.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld oder Unschuld oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode. Denn die Todesstrafe verletzt sowohl das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben als auch das Recht, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.
Mehr dazu auch in einer [Pressemitteilung].
Amnesty International Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin, 04. Januar 2016