Erneut sind in Ägypten in einem Massenprozess hunderte Menschen zum Tode verurteilt worden.
Ein Gericht in der Stadt El Minja in Oberägypten hatte bereits am 24. März 2014 gegen 528 Männer die Todesstrafe verhängt. Am 28. April 2014 wurden weitere 683 Angeklagte in einem Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Es handelt sich um Mitglieder der Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi, unter ihnen auch das Oberhaupt der mittlerweile verbotenen Muslimbrüder, Mohammed Badie. Die Urteile richten sich gegen die Teilnehmer an gewalttätigen Demonstrationen Mitte August 2013. Nach der Entmachtung Mursis waren bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften zahlreiche Demonstranten und zwei Polizisten getötet worden.
Die Gerichtsverfahren waren in höchstem Maße unfair, wie ein Prozessbeobachter von Amnesty International mitteilte. Der Richter prüfte weder Beweismaterial noch ließ er ein Kreuzverhör von Zeugen durch die Verteidigung zu. Alle Todesurteile ergingen in Abwesenheit der Angeklagten. In den vergangenen Jahren sind noch nie in einem einzigen Fall so viele Todesstrafen verhängt worden. Aus dem ersten Prozess bestätigten Richter von den ursprünglich verhängten 529 Todesurteilen in letzter Instanz 37. Bei den anderen Angeklagten wurde die Strafe zum größten Teil in lebenslange Haft umgewandelt. Von den insgesamt 683 Todesurteilen des zweiten Prozesses erhielt das Kriminalgericht in El Minja in seiner Berufungsverhandlung am 21. Juni 183 Todesstrafen aufrecht. Damit stiegt die Zahl der in diesem Jahr bestätigten Todesurteile auf 247, die allesamt gegen ehemalige Mursi-Anhänger gefällt worden sind. Die Todesurteile sind noch nicht rechtskräftig. Nach ägyptischem Recht muss der Großmufti bei allen Todesstrafen, die von Strafgerichten verhängt werden, zuvor konsultiert werden. Erst dann darf das Gericht sie formell aussprechen. Der Rat des Großmuftis ist allerdings nicht rechtsverbindlich für das Gericht.
Amnesty International kritisiert die Urteile scharf und spricht von einer Verhöhnung der Gerechtigkeit. Nach Auffassung der Organisation riskiert Ägyptens Judikative, ein Teil der repressiven Maschinerie der Behörden zu werden, indem sie Todesstrafen und lebenslange Haft am Fließband verhängt. Die Rechtssprüche dürfen daher auf keinen Fall Bestand haben. Amnesty fordert, alle Urteile aufzuheben und den Angeklagten unverzüglich faire Wiederaufnahmeverfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe zu gewähren.
Am 16. Juni 2014 wurden sechs Männer und eine Frau wegen Mordes und Raubüberfalls gehängt. Es handelt sich um die ersten Exekutionen in Ägypten seit Oktober 2011.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 22. Juni 2014