Am 12. Juni 2013 verurteilte das Bezirksgericht der weißrussischen Stadt Hrodna den Angeklagten Pavel Selyun zum Tode. Der 23 Jahre alte Student war für schuldig befunden worden, seine Ehefrau und deren Liebhaber ermordet zu haben. Seinen Berufungsantrag lehnte der Oberste Gerichtshof am 17. September 2013 ab. Auch sein Gnadengesuch wies Präsident Lukaschenka zurück.
Mutmaßlich am Karfreitag, dem 18. April 2014, wurde das Todesurteil ohne vorherige Ankündigung und unter strenger Geheimhaltung per Genickschuss vollstreckt. Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte die weißrussischen Behörden aufgefordert, das Todesurteil solange nicht zu vollstrecken, bis das Gremium seinen Fall abschließend geprüft hat. Minsk ignorierte – wie in anderen Fällen zuvor – diese nach dem Völkerrecht bindende Anweisung.
Pavel Selyuns Mutter wurde weder über das abgelehnte Gnadengesuch noch über den bevorstehenden Hinrichtungstermin informiert. Sie erhielt auch keine Gelegenheit, ihren Sohn ein letztes Mal in der Haftanstalt zu besuchen. Sie erfuhr von der Hinrichtung erst durch die Anwältin ihres Sohnes, der bei einem Gefängnistermin bedeutet wurde, ihr Mandant sei „gemäß seiner Strafe verschieden“. Angehörige und Anwälte werden in Belarus erst nach der Hinrichtung davon in Kenntnis gesetzt. Die Verwandten warten oftmals Wochen und Monate auf eine offizielle Bestätigung über die Vollstreckung der Todesurteile. Die Leiche wird der Familie nicht übergeben und der Begräbnisort geheim gehalten.
Amnesty International verurteilte die erneute Vollstreckung der Todesstrafe in Belarus scharf. Die Organisation zeigte sich enttäuscht, dass Weißrussland damit das einzige Land in ganz Europa und Zentralasien bleibt, das die Todesstrafe verhängt und vollstreckt. Belarus hat mit seinem Schritt nicht nur seine menschenrechtlichen Verpflichtungen ignoriert, sondern sich auch gegen den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe gestellt. Im Jahr 2013 fanden in Belarus erstmals seit 2009 binnen Jahresfrist keine Exekutionen statt. 2010 und 2011 waren jeweils zwei, 2012 mindestens drei Hinrichtungen durchgeführt worden.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 25. April 2014