Ein Gericht in der Stadt Minya in Oberägypten hat am 24. März 2014 insgesamt 528 Männer zum Tode verurteilt. In den vergangenen Jahren sind noch nie in einem einzigen Fall so viele Todesurteile verhängt worden.
Angeklagt waren 545 Personen wegen „Mordes an einem Polizisten“, „versuchten Mordes an zwei Polizisten“, „Brandstiftung in einer Polizeiwache und Diebstahls von Schusswaffen“ sowie wegen „Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppierung“. Die mutmaßlichen Straftaten stehen in Zusammenhang mit Protesten von Unterstützern des abgesetzten Präsidenten Mursi am 14. August 2013, die Sicherheitskräfte mit Gewalt aufgelöst hatten. Danach griffen etliche Anhänger von Mohammed Mursi Regierungsgebäude, Polizeiwachen und Sicherheitskräfte an. Bei einigen dieser gewaltsamen Angriffe wurden Polizisten geschlagen oder sogar getötet.
Das Gerichtsverfahren war in höchstem Maße unfair. Die Verhandlung dauerte lediglich 30 Minuten. Der Staatsanwalt verlas die Anklage nicht, obwohl dies nach ägyptischem Recht erforderlich ist. Zudem erlaubte der Richter weder, dass die Verteidigung Zeugen ins Kreuzverhör nahm, noch prüfte er die gegen die Angeklagten vorgebrachten Beweise. Die Verteidigung beantragte zusätzliche Zeit, um die mehr als 3.000 Seiten umfassenden Prozessakten durcharbeiten zu können. Diesen Antragt lehnte der Richter jedoch ab. Die Urteile ergingen schließlich in Abwesenheit sowohl der Angeklagten als auch der Rechtsbeistände, denen der Zugang zum Gericht untersagt war. Den Angaben zufolge sind nur 153 der Verurteilten in Haft, die anderen auf der Flucht.
Die 528 Todesurteile wurden dem höchsten Religionsvertreter, dem Großmufti, zugeleitet. Nach ägyptischem Recht muss der Großmufti bei allen Todesstrafen, die von Strafgerichten verhängt werden, um Rat gefragt werden. Die Meinung des Großmuftis ist allerdings nicht rechtsverbindlich für das Gericht. Zum Tode Verurteilte können beim Kassationsgericht, dem obersten Gericht, Rechtsmittel einlegen. Die gesetzlichen Vorschriften in Ägypten erlauben Personen, die in Abwesenheit verurteilt wurden, das Recht auf ein Wiederaufnahmeverfahren. Der Richter wird sein endgültiges Urteil am 28. April 2014 verkünden.
SCHREIBEN SIE BITTE
Appellieren Sie bitte an den Justizminister, dafür einzutreten, dass die am 24. März 2014 verhängten 528 Todesurteile aufgehoben werden. Fordern Sie neue Gerichtsverfahren, die den internationalen Standards für faire Prozesse entsprechen und in denen die Todesstrafe ausgeschlossen ist.
Mehr dazu finden Sie [hier].
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 24. März 2014