Der Oberste Gerichtshof Indiens hat am 21. Januar 2014 insgesamt 15 Todesurteile aufgehoben und in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.
Mit diesem Urteil hat das höchste Gericht gleichzeitig seine Rechtsprechung in wesentlichen Punkten geändert bzw. weiterentwickelt. Es hat befunden, dass ein Verzug bei der Entscheidung über Gnadengesuche durch den Präsidenten einen Grund für die Umwandlung der Todesstrafe darstellt. Des Weiteren dürfen Personen nicht hingerichtet werden, wenn sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Der Zustand muss nicht zum Tatzeitpunkt vorgelegen haben, sondern dies gilt auch, wenn die Geisteskrankheit infolge der Haft in der Todeszelle eingetreten ist. Ferner urteilte der Oberste Gerichtshof, dass mindestens 14 Tage zwischen der Ablehnung eines Gnadengesuchs und der Hinrichtung vergehen müssen. In dieser Zeit muss der Verurteilte die Möglichkeit haben, gerichtlichen Rechtschutz zu erlangen und hat hierbei Anspruch auf kostenlosen Rechtsbeistand. Von besonderer Bedeutung ist, dass der Gerichtshof die Ablehnung eines Gnadengesuchs der gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterwirft.
Bei 13 der 15 Gefangenen, deren Todesstrafen nun umgewandelt wurden, hatte es bei der Entscheidung des Präsidenten über eingereichte Gnadengesuche übermäßige Verzögerungen zwischen fünf und zwölf Jahren gegeben. In zwei weiteren Fällen ist die psychische Erkrankung der Gefangenen Grund dafür, dass das Todesurteil nicht länger aufrechterhalten werden darf.
Ein Sprecher von Amnesty International in Indien unterstrich, dass dieses Urteil für das Land eine Gelegenheit eröffne, die Anwendung der Todesstrafe insgesamt zu überdenken. Die nun erlassenen Leitlinien stärken immerhin die Rechte von Gefangenen in der Todeszelle und ihren Familien. Amnesty International sieht darin einen positiven Schritt für die Wahrung der Menschenrechte in Indien. Von dieser höchstrichterlichen Entscheidung könnten weitere sechs zum Tode verurteilte Gefangene profitieren, deren Todesurteile möglicherweise nun ebenfalls vor ihrer Aufhebung stehen.
Zwei Todeskandidaten waren im November 2012 und Februar 2013 hingerichtet worden. Es handelte sich um den einzigen überlebenden Attentäter der Anschläge vom November 2008 in Mumbai und um einen Terroristen, der sich an einem Anschlag auf das indische Parlament beteiligt hatte. Mit diesen Exekutionen endete seinerzeit ein mehr als acht Jahre währender Hinrichtungsstopp in Indien. Sie markierten auch eine Abkehr des Landes von dem bis dahin eingeschlagenen Weg in Richtung Abschaffung der Todesstrafe. Medienberichten zufolge befinden sich derzeit mehr als 400 zum Tode Verurteilte in Indien in Haft. Todesurteile werden gewöhnlich durch Erhängen vollzogen.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 22. Januar 2014