Irak ist weltweit eines der Länder mit den meisten Hinrichtungen. Das Justizministerium gab jüngst die Exekution von insgesamt 19 Straftätern zwischen dem 7. und 17. November bekannt. Die Regierung bekämpft mit der Todesstrafe weiterhin das hohe Maß an Gewalt durch bewaffnete Gruppierungen. Hunderte Gefangene befinden sich derzeit in Todeszellen. Mindestens 155 Menschen sind bereits in diesem Jahr hingerichtet worden – die höchste Zahl, seit das Land im Jahr 2004 die Todesstrafe wieder zuließ. Die tatsächliche Zahl könnte sogar noch höher liegen, da die irakischen Behörden bislang noch keine offizielle Bilanz veröffentlicht haben. 2012 waren mindestens 129 Menschen exekutiert worden, fast doppelt so viele wie im Jahr 2011. Dadurch nahm Irak nach China und Iran Platz drei der Länder mit den meisten Hinrichtungen weltweit ein.
Obwohl die Einzelheiten nicht in vollem Umfang zugänglich sind, sollen die meisten Todesurteile der vergangenen Jahre auf Grundlage des Antiterrorgesetzes 13 aus dem Jahr 2005 verhängt worden sein. Dieses Gesetz umfasst in vagen Formulierungen Taten wie die Anstiftung, Planung, Finanzierung und das Begehen oder die Unterstützung anderer bei der Begehung von Terrorakten.
Phillip Luther, der für den Nahen Osten und Nordafrika zuständige Direktor bei Amnesty International, kritisiert, dass Todesurteile häufig nach äußerst unfairen Gerichtsverfahren ergehen. Viele Gefangene berichten, sie seien gefoltert oder anderweitig misshandelt worden, um Verbrechen zu „gestehen“. Gefangenen haben zudem oft keinen Zugang zu einem ordnungsgemäßen Rechtsbeistand. Luther rügt auch die Arbeit des Kassationsgerichts, das alle Todesurteile vor der Vollstreckung überprüfen und bestätigen muss. Das Kassationsgericht lässt regelmäßig bei der Überprüfung von Todesurteilen die Anwendung von unzulässigem Beweismaterial außer Acht, darunter zurückgezogene „Geständnisse“ und Foltervorwürfe. Das Kassationsgericht trifft seine Entscheidung nach Aktenlage. Für den Angeklagten stellt dies keine echte Überprüfung seines Falls durch ein höheres Gericht dar.
„Der starke Anstieg der Hinrichtungen seit 2012 macht deutlich, dass sich die Regierung offenbar weigert einzusehen, dass die Todesstrafe ungeeignet ist, um Angriffe bewaffneter Gruppen auf Zivilisten in Irak oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern“, sagt Phillip Luther. Er rät den Behörden in Irak, unverzüglich einen Hinrichtungsstopp zu verfügen und alle Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln. Eine Empfehlung, die auch die Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (United Nations Assistance Mission for Iraq – UNAMI), die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und der Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen wiederholt gegeben haben. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte bemängelt, dass das Strafjustizsystem in Irak immer noch nicht angemessen funktioniere, es zeuge von einer schwachen Justiz und Gerichtsverfahren, die internationalen Standards zuwiderlaufen. Die Anwendung der Todesstrafe sei in diesem Zusammenhang gewissenlos, da Fehlurteile bei der Vollstreckung von Todesurteilen nicht rückgängig gemacht werden können.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 4. Dezember 2013