Vietnamesische Medien berichten heute, dass die Regierung das Parlament ersucht habe, eine bereits abgeschaffte Hinrichtungsmethode wieder vorübergehend zuzulassen.
Am 17. Juni 2010 hatte die Nationalversammlung beschlossen, ab November 2011 die bis dahin übliche Hinrichtungsmethode zu ändern. Statt Todesurteile durch Erschießungskommandos zu vollstrecken, sollte dafür aus humanitären Gründen die Giftspritze zum Einsatz kommen. Strengere EU-Vorschriften für die Ausfuhr von Medikamenten für tödliche Injektionen führten jedoch dazu, dass Vietnam seit Januar 2012 keine Exekutionen mehr durchführen konnte. Die Behörden hatten zunehmend Schwierigkeiten, die Chemikalien für die Giftspritze zu beschaffen. Ein neues Gesetz, das am 27. Juni 2013 in Kraft trat, erlaubt den Behörden, auch Arzneimittel für Hinrichtungen zu verwenden, die außerhalb der EU oder im Inland erzeugt wurden. Am 6. August 2013 wurde nach mehr als anderthalbjähriger Unterbrechung das erste Todesurteil wieder durch die Giftspritze vollstreckt. Mit dem jüngsten parlamentarischen Vorstoß sollen nun auch wieder bis Ende 2015 Hinrichtungen mittels Erschießungskommandos ermöglicht werden.
Isabelle Arradon, stellvertretende Asien-Pazifik-Direktorin von Amnesty International, sagte: „Es ist sehr enttäuschend, dass Vietnam wieder einmal versucht, einen Weg zu finden, um Menschen zu töten, entweder durch die Verwendung von im Inland produzierten Medikamenten oder durch Rückgriff auf eine Hinrichtungsmethode, die die Regierung selbst als unmenschlich abgelehnt hatte.
Der aktuelle Mangel an todbringenden Medikamenten bietet den vietnamesischen Behörden die Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass sie sich zu einer humanen Behandlung von Gefangenen bekennt und die Todesstrafe ablehnt. Vietnam sollte eine Debatte über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe anregen und damit dem Beispiel anderer Länder des ASEAN-Staatenbündnisses folgen. Derzeit befinden sich nach Medienberichten etwa 680 zum Tode verurteilte Gefangene in vietnamesischen Gefängnissen.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 8. November 2013