Nachdem die neue pakistanische Regierung beschlossen hat, Hinrichtungen wiederaufzunehmen, droht vielen Gefangenen akut der Vollzug ihres Todesurteils.
Seit Ende 2008 hat keine Exekution mehr in dem südasiatischen Staat stattgefunden. Die einzige Ausnahme bildete Mitte November 2012 die Hinrichtung eines Soldaten durch die Militärbehörden. Nach einer Reihe von aufsehenerregenden Morden in Pakistan seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Nawaz Sharif im Juni 2013, steht die Regierung unter Druck, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Es gibt jedoch keinen Nachweis darüber, dass die Todesstrafe im Vergleich zu anderen Bestrafungsformen bei Kapitalverbrechen eine besonders abschreckende Wirkung hat.
Für den 20. bis 25. August waren insgesamt acht Hinrichtungsbefehle ausgestellt worden. Unter den Todeskandidaten befinden sich auch zwei Männer, die zur Tatzeit noch minderjährig waren und deshalb gemäß Völkerrecht überhaupt nicht zum Tode hätten verurteilt werden dürfen. Die betroffenen acht Gefangenen sind wegen verschiedener Verbrechen, darunter Mord und Entführung, verurteilt worden. Sie gehören zu einer Gruppe von etwa 450 Häftlingen, die laut Innenministerium alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben und jederzeit exekutiert werden könnten. Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 8.000 zum Tode verurteilte Gefangene in pakistanischen Gefängnissen. Ministerpräsident Nawaz Sharif hat die bereits geplanten Hinrichtungen am Sonntag, den 18. August vorerst gestoppt, nachdem Präsident Asif Ali Zardari ihn um ein Gespräch zu der geplanten Wiederaufnahme der Hinrichtungen gebeten hatte. Präsident Zardari ist ein Gegner der Todesstrafe. Er scheidet jedoch am 8. September turnusmäßig aus dem Amt.
Amnesty International ist in Sorge, da in Pakistan viele Todesurteile ergehen, die nicht den international anerkannten Standards für einen fairen Strafprozess genügen. So haben Angeklagte oft nur eingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand. Auch unter Folter erlangte Aussagen können als Beweismittel vor Gericht verwendet werden, obwohl dies nach dem Völkerrecht unzulässig ist. Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren wird insbesondere in Verhandlungen vor unteren Gerichten missachtet. Die Verhandlungen dieser Gerichte sind nur eingeschränkt öffentlich zugänglich und die Gerichtsverfahren müssen innerhalb von Tagen oder Wochen abgeschlossen werden, wodurch die Richterinnen und Richter unter großem Druck geraten, Angeklagte zu verurteilen.
Die Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach fast fünf Jahren würde eine Abkehr Pakistans von regionalen wie globalen Trends zur Abschaffung der Todesstrafe bedeuten. Bisher haben über zwei Drittel aller Länder dieser Welt die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte erst im Dezember 2012 mit der Verabschiedung einer Resolution alle Mitgliedstaaten erneut dazu aufgerufen, einen Hinrichtungsstopp zu verfügen und in einem nächsten Schritt die Todesstrafe ganz abzuschaffen.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 24. August 2013