Ägyptens Ex-Staatschef entgeht der Todesstrafe

Am 24. Mai 2011 erhob der Generalstaatsanwalt Anklage gegen den langjährigen ägyptischen Präsident Hosni Mubarak sowie seine Söhne Gamal und Alaa. Mubarak wurde beschuldigt, den Schießbefehl seines Innenministers Habib al-Adli auf Demonstranten während der landesweiten Massenproteste im Zuge des arabischen Frühlings Anfang 2011 zumindest gebilligt zu haben. Das Gericht machte Mubarak verantwortlich für das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten, die auf dem Tahrir-Platz in Kairo sowie in anderen Städten den Rücktritt des Präsidenten gefordert hatten. Annähernd 850 Demonstranten kamen bei den 18-tägigen Unruhen ums Leben. Die Anklagebehörde war überzeugt, Mubarak sei mitverantwortlich für „vorsätzlichen Mord an friedlichen Demonstranten“ und „versuchten Mord“ angesichts vieler Tausender Verletzter. Dem ehemaligen Präsidenten wurde zudem Amtsmissbrauch und illegale Bereicherung zur Last gelegt. Zusammen mit Mubarak mussten sich auch Ex-Innenminister Habib al-Adli und sechs ehemalige leitende Mitarbeiter aus dessen Ministerium vor dem Richter erscheinen. Der Prozess begann am 3. August 2011 vor einem Gericht in der Hauptstadt Kairo. Am 5. Januar 2012 forderte die Staatsanwaltschaft für Mubarak sowie für seine beiden Söhne die Todesstrafe. Auch dem mitangeklagten Innenminister und den sechs Polizeioffizieren drohte die Todesstrafe.

Am 2. Juni 2012 verurteilte das Gericht Mubarak und seinen früheren Innenminister Habib al-Adli zu lebenslanger Haft. Die sechs hohen Polizeibeamten, darunter der ehemalige Chef des inzwischen aufgelösten Staatssicherheitsdienstes, wurden freigesprochen. Dies löste Ausschreitungen im Gerichtssaal und vor dem Gebäude aus. Die Korruptionsvorwürfe gegen die beiden Mubarak-Söhne Gamal und Alaa wurden fallengelassen. In mehreren Städten Ägyptens forderten Demonstranten die Todesstrafe für Mubarak. Der Verteidiger des schwerkranken 84-jährigen Ex-Staatschefs kündigte an, in Berufung zu gehen. Auch die Staatsanwaltschaft will das Urteil anfechten.

Das Urteil ist „ein bedeutender Schritt im Kampf gegen die anhaltende Straflosigkeit in Ägypten“ erklärte Amnesty International. „Wir haben von Anfang an den Prozess gegen Mubarak und andere wegen ihrer Rolle bei der Tötung von Demonstranten begrüßt. Doch der Prozess und das Urteil haben die Familien der Getöteten und die bei den Protesten Verletzten über die ganze Wahrheit im Dunkeln gelassen und haben es versäumt, ihnen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“, kommentierte Ann Harrison, stellvertretende Leiterin des Nahost- und Nordafrika-Programms bei Amnesty. Sie sagte, dass Urteil zeige, dass schwere Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit auch ohne Rückgriff auf die Todesstrafe verfolgt werden können und müssen.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 2. Juni 2012