Im letzten Augenblick wurde die Hinrichtung des zum Tode Verurteilten Balwant Singh Rajoana gestoppt. Am 29. März gewährte man ihm vorerst eine Gnadenfrist, da ein Berufungsantrag des Bundesstaats Punjab geprüft werden muss. Ursprünglich sollte das Todesurteil am 31. März vollstreckt werden. Amnesty International begrüßt zwar diese Entscheidung der indischen Regierung, macht aber zugleich deutlich, dass dieser Vollstreckungsaufschub nur ein erster Schritt sein kann: Es müsse ein offizielles Moratorium für die Todesstrafe verfügt, alle Todesurteile umgewandelt und letztlich diese Strafe abschafft werden, sagte eine Sprecherin von Amnesty International in London.
Amnesty International hatte in einem offenen Brief an Premierminister Manmohan Singh gefordert, die geplante erste Hinrichtung in Indien seit fast acht Jahren zu unterbinden. Amnesty warnte, dass die Vollstreckung des Todesurteils an Balwant Singh Rajoana ein schwerer Rückschritt für Indien bedeute.
Balwant Singh Rajoana sollte im Bundesstaat Punjab durch den Strang hingerichtet werden. Er wurde 2007 für schuldig befunden, den damaligen Ministerpräsidenten des Bundesstaats Punjab, Beant Singh, im Jahr 1995 ermordet zu haben. Das Obere Gericht Punjabs bestätigte das Todesurteil im Oktober 2010.
Seit 2004 ist kein Mensch mehr in Indien exekutiert worden. Zwar fällten Gerichte weiterhin Todesurteile, aber der inoffizielle Hinrichtungsstopp blieb fast eine Dekade lang unangetastet.
Amnesty International erinnert in seinem am 27. März veröffentlichten Bericht über Todesurteile und Hinrichtungen im Jahr 2011 daran, dass mehr als zwei Drittel aller Länder die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft haben. Von den 41 Ländern, die dem asiatisch-pazifischen Raum zugeordnet werden, haben 17 die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft und zehn sie außer Vollzug gesetzt. Die Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach fast acht Jahren Unterbrechung hätte zur Folge gehabt, dass sich Indien gegen den regionalen wie weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe stellt.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 29. März 2012