Somalias Übergangsregierung muss sicherstellen, dass ihr Militärgericht grundlegende Standards für faire Gerichtsverfahren respektiert. Die Regierung sollte sofort Hinrichtungen stoppen. Zudem sollte sie Gerichtsverfahren unterbinden, in denen sich Zivilisten vor dem Militärgericht verantworten müssen. Dies fordern Amnesty International und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 2. September 2011. Das Mandat der Übergangsregierung läuft im Jahr 2012 aus.
Die Militärgerichtsverfahren, die derzeit in der somalischen Hauptstadt Mogadischu anhängig sind, geben Anlass zu ernster Sorge im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte, sagen Amnesty International und Human Rights Watch. Das im Jahr 2009 eingerichtete Militärgericht arbeitet, ohne die grundlegenden Standards für faire Gerichtsverfahren zu garantieren. Am 22. August 2011 wurden zwei Regierungssoldaten, die das Militärgericht wegen Mordes verurteilt hatte, hingerichtet. Sie hatten nicht die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, wie es das Völkerrecht fordert. Am 29. August 2011 verurteilte das Militärgericht zwei weitere Angeklagte zum Tode, weil sie angeblich beabsichtigten, der Al-Schabaab-Miliz Munition zu verkaufen, jener bewaffneten islamistischen Gruppierung, die einen Großteil des Landes kontrolliert. Quellen berichten, dass eine der Angeklagten eine Zivilistin ist, der das Gericht während der kurzen Verhandlung nur eine Frage gestellt hatte und die über keine anwaltliche Vertretung verfügte.
Am 13. August 2011 rief der Präsident der Übergangsregierung, Sheikh Sharif Sheikh Ahmed, den Ausnahmezustand in Gebieten von Mogadischu aus, die von der Al-Schabaab geräumt worden waren. Die Notverordnung, die vom Präsidenten unterzeichnet, aber nicht vom Parlament gebilligt worden ist, räumt dem Militärgericht größere Macht ein. Dessen Zuständigkeit gilt vor allem für die Ahndung aller Rechtsverstöße, die in den Gebieten unter dem Ausnahmezustand begangen werden. Damit ist zu befürchten, dass das Militärgericht standardmäßig über Zivilisten Recht sprechen wird. Internationale Menschenrechtsstandards legen jedoch klar fest, dass Zivilisten nicht vor Militärgerichten angeklagt werden dürfen. Artikel 57 der Charta der Föderalen Übergangsregierung Somalias sieht vor, dass Militärgerichte ausschließlich für militärische Straftaten zuständig sein sollen, die von Mitgliedern der Streitkräfte im Krieg oder Frieden begangen werden. Darüber hinaus gibt es zivile Gerichte in Mogadischu. Glaubwürdigen Berichten zufolge sind mindestens sieben Menschen, alle Angehörige der Sicherheitskräfte, hingerichtet worden, nachdem das Militärgericht sie zum Tode verurteilt hatte.
Noch im Mai 2011 hatte sich die Übergangsregierung während der Allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des Landes durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verpflichtet, die Einführung eines Moratoriums für Hinrichtungen in Betracht zu ziehen. Michelle Kagari, stellvertretende Leiterin der Afrikaabteilung von Amnesty International, fordert die Regierung auf, „ihr Versprechen zu halten und ein Hinrichtungsmoratoriums zu verfügen. In einem Land, wo das Töten allgegenwärtig ist, wäre dies ein wichtiger Schritt weg von einer Kultur, die den Tod als Antwort ansieht.“
Amnesty International und Human Rights Watch haben wiederholt auch die Al-Shabaab-Miliz dafür verurteilt, weil sie tatsächliche oder vermeintliche Gegner und Personen, die sie beschuldigen, Straftaten gemäß dem Scharia-Recht begangen zu haben, ohne ordentliches Gerichtsverfahren öffentlich getötet haben.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 4. September 2011