Die tunesische Übergangsregierung hat am 1. Februar 2011 grünes Licht für den Beitritt zu vier internationalen Menschenrechtsabkommen gegeben. Das Kabinett sprach sich unter anderem für die Ratifizierung des Zweiten Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen aus. Das Protokoll sieht ein völliges Verbot der Todesstrafe vor.
In Tunesien kann die Todesstrafe für eine beträchtliche Anzahl von politischen und nicht politischen Vergehen verhängt werden. Obwohl es seit Oktober 1991 keine Hinrichtungen mehr gegeben hat, fällen Gerichte jährlich einige Todesurteile.
Der gestürzte Präsident Zine al-Abidine Ben ’Ali hatte einer nach Tunesien entsandten Delegation von Amnesty International im April 1989 mitgeteilt, er persönlich lehne die Todesstrafe ab. Im November 1989 gab das damalige Staatsoberhaupt in einer öffentlichen Erklärung bekannt, er werde keine Vollstreckungsbefehle unterzeichnen. Doch ein Jahr darauf, im November 1990, wurde ein Mann wegen mehrfachen Mordes hingerichtet. Im Oktober 1991 starben weitere fünf zum Tode verurteilte Gefangene durch den Strang, nachdem der Präsident unmittelbar zuvor ihre Gnadenappelle abgewiesen hatte. Zwischen 1984 und 1991 wurden in Tunesien mindestens 40 Hinrichtungen vollzogen. Die meisten Urteile waren für vorsätzlichen Mord, schweren Raub oder Diebstahl sowie Vergewaltigung unter erschwerenden Tatumständen verhängt worden. Anfang Februar 2011 waren 130 Gefangene, darunter vier Frauen, vom Vollzug der Todesstrafe bedroht.
Wenn Tunesien seine Ankündigung in die Tat umsetzt, wäre es das erste nordafrikanische Land, das die Todesstrafe tatsächlich verbietet. Tunesien könnte mit diesem Schritt auch für andere afrikanische Staaten ein Vorbild sein.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 06. Februar 2011