Will Guatemala wieder hinrichten?

Amnesty International hat das guatemaltekischen Parlament aufgerufen, die Todesstrafe abzuschaffen anstatt über Rechtsvorschriften zu debattieren, die Exekutionen wieder ermöglichen würden.

Konkret geht es um eine neue Gesetzgebung, die ein präsidiales Begnadigungsrecht für zum Tode Verurteilte schaffen soll. Am 1. Juni 2000 hatte das Parlament ein Gesetz aufgehoben, das es dem Präsidenten bis dahin erlaubt hatte, über Gnadengesuche in Todesstrafenfällen entscheiden zu können. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte verfügte daraufhin im Jahr 2005, dass ohne Gnadenrecht keine Todesurteile mehr in dem zentralamerikanischen Land vollstreckt werden dürfen.

Am 05. Oktober 2010 nahm der Kongress mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz Nr. 4175 an. Es führt ein Verfahren ein, mit dem zum Tode Verurteilte nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel wieder ein Gnadengesuch an den Staatspräsidenten stellen können. Der Präsident kann binnen 30 Tagen das Dekret 37-2010 billigen oder sein Veto dagegen einlegen. Präsident Álvaro Colom kündigte unmittelbar nach der Parlamentsentscheidung öffentlich an, der vorgeschlagenen Rechtsvorschrift seine Zustimmung zu verweigern. Der Präsident sagte, er glaube nicht, dass er über das Leben anderer zu entscheiden habe. Ein mögliches Veto des Präsidenten kann der Kongress allerdings mit 105 Stimmen (Zweidrittelmehrheit) ebenfalls innerhalb von 30 Tagen überstimmen.

Würde das Parlament nun den Weg für die Reaktivierung der Todesstrafe ebnen, müssten die derzeit zehn zum Tode verurteilten Gefangenen mit ihrer Hinrichtung rechnen. Dies wäre ein schwerer Rückschlag, da mit Ausnahme der USA kein Land des amerikanischen Kontinents mehr die Todesstrafe vollstreckt. Die letzte Hinrichtung wurde in Guatemala im Jahr 2000 durchgeführt. Seitdem hatten die Regierungen ein De-facto-Moratorium bei der Anwendung der Todesstrafe eingehalten. Politiker in Guatemala führen als Begründung an, die Wiederanwendung der Todesstrafe sei eine Reaktion auf den Druck der Öffentlichkeit angesichts steigender Bandenkriminalität.

Guadalupe Marengo, stellvertretender Direktor von Amnesty International für die Region Amerika, riet dringend dazu, die Todesstrafe abzuschaffen und die wirklichen Probleme, die hinter der Kriminalität liegen, anzupacken. „Polizei und Justiz müssen in den Stand gesetzt werden, um die Straflosigkeit in Guatemala bekämpfen zu können, und die Regierung sollte Ungleichheit und Diskriminierung angehen.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 08. Oktober 2010