Im September letzten Jahres war es zu einem als historisch bezeichneten Regierungswechsel in Japan gekommen. Die neue Mitte-Links-Regierung hatte sich unter anderem die Abschaffung der Todesstrafe zum Ziel gesetzt. Protagonistin war Justizministerin Keiko Chiba, die die Todesstrafe stets abgelehnt hatte. Sie gehörte bis zu ihrem Amtsantritt einer parteiübergreifenden Parlamentariergruppe an, die sich gegen die Todesstrafe einsetzte.
Nun vollzog die Ministerin eine überraschende Kehrtwende. Sie erteilte zwei Hinrichtungsbefehle und wohnte – anders als ihre Vorgänger – den Hinrichtungen sogar persönlich bei. Durch den Strang starben in einer Strafvollzugsanstalt in Tokio zwei zum Tode verurteilte Männer. Bei den Gehängten handelte es sich um verurteilte Mörder. Ein 59-Jähriger soll im Jahr 2000 sechs Angestellte eines Juweliergeschäfts umgebracht haben, der andere, ein 33-jähriger Mann, wird für einen Doppelmord im Jahre 2003 verantwortlich gemacht. Es waren dies die ersten Hinrichtungen seit exakt einem Jahr und die ersten seit der Regierungsübernahme unter der Demokratischen Partei.
Nach den Exekutionen sagte die zur Todesstrafenbefürworterin gewandelte Justizministerin, dass sie die streng geheim gehaltenen Hinrichtungsstätten zukünftig für die Medien zugänglich machen wolle. Dies werde nach ihrer Meinung zu einer bislang nicht vorhandenen öffentlichen Debatte über die Todesstrafe in Japan beitragen. Der Vollzug der Todesstrafe werde jedoch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Sie habe ihr Ministerium angewiesen, ein Gremium einzurichten, das sich mit dem Für und Wider der Todesstrafe befassen soll, teilte die Ministerin bei einer Medienkonferenz mit.
„Eine Arbeitsgruppe, die die Todesstrafe diskutiert, ist nicht genug. Es muss eine offene und öffentliche Debatte geben und vor allem einen sofortigen Hinrichtungsstopp, solange diese Diskussion stattfindet“, sagte Donna Guest, stellvertretende Leiterin des Asien-Pazifikprogramms von Amnesty International. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, merkte an „Es ist eines Rechtsstaates wie Japan nicht würdig, dass dort Todesurteile verhängt werden.“
Japan gehört zu den wenigen Industrieländern, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft haben. Derzeit sitzen 107 Verurteilte in japanischen Todeszellen. Sie werden erst am Morgen ihres Todestages von der unmittelbar bevorstehenden Hinrichtung in Kenntnis gesetzt. Amnesty International hat seit Jahren den Umgang Japans mit der Todesstrafe sowie die berüchtigten Haftbedingungen in den Todestrakten scharf angeprangert.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 28. Juli 2010