Am 30. Mai 2010 wurden 18 Todesurteile von Erschießungskommandos vollstreckt. Laut der Zeitung Cerene, die eng mit Saif al-Islam al-Gaddafi, Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi, verbunden ist, waren unter den Hingerichteten Staatsangehörige des Tschads, Ägyptens und Nigerias. Vierzehn Menschen wurden in der Hauptstadt Tripolis erschossen, berichtet Cerene, während die vier anderen Hinrichtungen in der Stadt Benghazi stattfanden. Die Identität der Exekutierten machten die Behörden des nordafrikanischen Staats nicht öffentlich.
Gegen alle 18 Erschossenen war die Todesstrafe wegen Mordes verhängt worden. Amnesty International verurteilt die Hinrichtungen und rief Libyen dazu auf, einen Hinrichtungsstopp zu verfügen. Malcolm Smart, Amnesty-Experte für den Nahen Osten und Nordafrika sagt „Im Fall von Libyen befürchten wir, dass die Todesurteile nach Verfahren ergingen, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprachen.“
In Libyen wird die Todesstrafe hauptsächlich für Mord und Drogenvergehen verhängt, obschon das Strafrecht diese Höchststrafe auch für eine Reihe anderer Verbrechen vorsieht. Mehr als 200 Menschen sind derzeit in den Todeszellen des Landes, sagt der Zeitungsbericht. Es wird vermutet, dass sich darunter auch eine große Zahl von ausländischen Staatsbürgern befindet. Ausländischen Staatsangehörigen ohne Arabischkenntnisse werden Berichten zufolge vor Gericht oft weder in ausreichendem Maße Dolmetscher noch übersetzte Gerichtsakten zur Verfügung gestellt. Ihnen wird auch kein Zugang zu konsularischem Beistand gewährt.
Offizielle Angaben über die jährlich ausgesprochenen und vollstreckten Todesurteile sind nicht zu erhalten. Der wiederholt vorgetragenen Bitte von Amnesty international, detaillierte Informationen über die Verhängung der Todesstrafe bekannt zu machen, kamen die Behörden nicht nach. Libyen gehört zur Minderheit der Staaten, die 2007 und 2008 gegen die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen stimmten, welche ein Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe fordern.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 01. Juni 2010