Um ihrer Entschlossenheit im Kampf für eine drogenfreie Gesellschaft Ausdruck zu verleihen, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1987 beschlossen, den 26. Juni als „Internationalen Tag gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel“ zu begehen. Auch in der Volksrepublik China wurde dieser Tag 2010 genutzt, um gegen das Drogenproblem vorzugehen. Behörden zeigten Besuchern beschlagnahmte Drogen, in Provinzmetropolen wurde Rauschgift in dramatischen Inszenierungen öffentlich verbrannt und zur vermeintlichen Abschreckung ließen die Justizbehörden mindestens 14 Todesurteile an Großdealern vollstrecken. Schon in der Vergangenheit war der Antidrogentag in China häufig Anlass für eine große Zahl von Hinrichtungen und Dutzende demonstrativ verhängter Todesurteile.
Drogenhandel und Missbrauch haben sich im Reich der Mitte zu einer landesweiten Massenkriminalität ausgeweitet. Nach Medienberichten sind in China vor allem Heroin und synthetische Drogen auf dem Vormarsch. Schon jetzt gelten 1,34 Millionen Chinesinnen und Chinesen als drogenabhängig, wobei die Dunkelziffer hoch sein dürfte.
Nach Angaben des Obersten Volksgerichthofs verurteilten Gerichte im Jahr 2009 landesweit in 51.000 Verfahren mehr als 56.000 Personen wegen Drogenbesitzes und -handels. Die Zahl der Verurteilungen stieg damit gegenüber 2008 um 16,5 Prozent. In fast jedem dritten Fall wurde ein Strafmaß verhängt, das von „fünf Jahren Haft bis zur Todesstrafe“ reichte. Gerichte fällten 2009 somit neun Prozent mehr harte Strafen bei Drogendelikten als noch 2008.
Der Besitz von mehr als 50 Gramm Heroin oder einem Kilogramm Opium kann ebenso zur Verhängung der Todesstrafe führen wie allgemein die Herstellung, Handel und Transport von Drogen, „wenn die Umstände schwerwiegend sind“. Noch vor zwei Jahren seien „im Allgemeinen“ die Hersteller oder Dealer synthetischer Drogen nicht zum Tode verurteilt worden, sagte der Pekinger Richter Gao der Zeitung China Daily. Da deren Zahl aber „sehr zunahm, haben wir auch in solchen Fällen die Todesstrafe angewandt“. Nach Beobachtungen von Amnesty International ist trotz des massiven Einsatzes der Todesstrafe bei Drogendelikten die Rauschgiftkriminalität in China weiter steigend. Der ehemalige französische Justizminister Robert Badinter merkte dazu an: „Das Verbrechen ist eine Krankheit der Gesellschaft, aber man kann keine Krankheit bekämpfen oder heilen, indem man den Kranken tötet“.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 27. Juni 2010