Justizministerin Wang Ching-feng sprach sich Ende Mai 2008 nach ihrem Amtsantritt für die Abschaffung der Todesstrafe aus. Sie kündigte an, sie werde wegen ihrer persönlichen Ablehnung der Todesstrafe während ihrer Amtszeit keine Hinrichtungsbefehle unterzeichnen. Sie warf überdies die Frage auf, ob die Todesstrafe verfassungsgemäß sei. Frau Wang hatte ihre Argumente für ein Todesstrafen-Moratorium in der wöchentlichen Kabinettssitzung am 11. März 2010 bekräftigt. Sie sagte, die Abschaffung der Todesstrafe sei eine grundlegende Frage der Menschenrechte.
Am 12. März 2010 trat sie zurück, nachdem es ihr nicht gelungen war, politische Unterstützung für ihren Widerstand gegen die Todesstrafe zu gewinnen. Ihre Haltung war zuvor von Präsident Ma Ying-jeou, Premier Wu Den-yih, ihrer eigenen Kuomintang-Partei und von den Opfern von Gewaltverbrechen zum Teil scharf kritisiert worden.
Vizejustizminister Huang Shih-ming, der vom Präsidenten als Generalstaatsanwalt nominiert ist und vorübergehend die Amtsgeschäfte im Justizministerium führt, sagte kurz vor dem Rücktritt von Frau Wang im Parlament, er sei ebenfalls für die Abschaffung der Todesstrafe. Er denke aber, dass bereits ausgesprochene Todesurteile gemäß dem Gesetz vollstreckt werden sollten.
In Taiwan sind derzeit 44 Menschen zum Tode verurteilt. Das letzte Todesurteil wurde im Dezember 2005 durch ein Erschießungskommando vollzogen. Die Haftbedingungen zum Tode verurteilter Gefangener sind nach Auffassung von Amnesty International auf Taiwan grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichzusetzen.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 15. März 2010