Die iranischen Justizbehörden hatten am 16. Oktober 2008 zunächst angekündigt, die Todesstrafe für Jugendliche unter 18 Jahren beenden zu wollen.
Laut Hossein Zabhi, stellvertretender Generalstaatsanwalt für Justizangelegenheiten, wurden alle Gerichte des Landes angewiesen, den Vollzug der Todesstrafe an jugendlichen Straftätern einzustellen. Die Anordnung trägt den Richtern auf, anstelle der Todesstrafe Jugendstrafen zu verhängen, die von 15 Jahren bis zu lebenslanger Haft reichen können. Am 18. Oktober schränkte Hossein Zabhi jedoch ein, dass sich die Direktive nicht auf alle Arten von Verbrechen bezieht, die derzeit nach iranischem Recht mit dem Tode bestraft werden können. Fälle, in denen jemand des Mordes für beschuldig befunden wird, seien von dieser Regelung ausgenommen. Die Strafe für Mord ist qesas und bedeutet Vergeltung „mit gleicher Münze“. Nach islamischem Recht können die Verwandten eines Mordopfers qesas in Form der Hinrichtung des Mörders oder in Form einer finanziellen Entschädigung, so genanntes „Blutgeld“ (diyeh), verlangen. Die iranischen Behörden machen stets einen Unterschied zwischen Todesurteilen, die wegen Mordes verhängt werden (qesas wird als eine Angelegenheit unter Privatpersonen und nicht des Staates eingestuft) und solchen, die wegen anderer Verbrechen wie zum Beispiel Drogenschmuggel vom Staat gefällt werden. Das Völkerrecht kennt diese Unterscheidung jedoch nicht; die staatliche Tötung eines unter 18-jährigen Straftäters nach einem Gerichtsverfahren ist in jedem Fall verboten.
Die Islamische Republik Iran ist aktuell das einzige Land der Welt, von dem bekannt ist, dass es 2008 zur Tatzeit minderjährige Straftäter hingerichtet hat. Die Todesstrafe wird in Iran an Jugendlichen in der Regel vollstreckt, sobald diese in der Haft das 18. Lebensjahr erreicht haben. Nach Informationen von Amnesty International sind in diesem Jahr mindestens sechs jugendliche Straftäter gehängt worden. Mindestens 130 zur Tatzeit Minderjährige sind vom Vollzug der Todesstrafe bedroht.
Amnesty International zeigte sich von der Nachricht enttäuscht, dass wegen Mordes weiterhin die Todesstrafe gegen Minderjährige verhängt werden kann. Die Organisation ist besorgt, dass das Statement vom 16. Oktober darauf abzielte, die iranische wie internationale Öffentlichkeit irrezuführen, da zunächst mitgeteilt worden war, Iran würde keine unter 18-jährigen Straftäter mehr hinrichten lassen „ungeachtet der Straftat, die sie begangen haben”. Hassiba Hadj Sahraoui, die stellvertretende Direktorin des Nahost- und Nordafrika-Programms von Amnesty International, forderte das Staatsoberhaupt und Religionsführer, Ajatollah Sayed ‘Ali Khamenei, zum Handeln in dieser dringenden Angelegenheit auf. Ruth Jüttner, Nahost-Expertin der deutschen Sektion von Amnesty, rief dazu auf, die Todesstrafe für Minderjährige im iranischen Strafgesetzbuch generell abzuschaffen. Wenn diese gesetzlichen Grundlagen geschaffen würden, gäbe es auch keine Interpretationsmöglichkeiten mehr.
Amnesty erinnert Iran daran, seine Rechtsvorschriften in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen des Landes nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (ÜRK) zu bringen. Iran ist Vertragspartei des ÜRK. Das Übereinkommen bestimmt, dass für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des 18. Lebensjahrs begangen worden sind, weder die Todesstrafe noch die lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden darf.
Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten in Iran und in der ganzen Welt setzen sich seit vielen Jahren für ein Verbot der Todesstrafe gegen Minderjährige ein.
Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 20. Oktober 2008