Liberia rückfällig

2003 ging nach 14 blutigen Jahren der Bürgerkrieg in Liberia, Westafrika, zu Ende. Am 16. September 2005 trat das Land dem Zweiten Fakultativprotokoll zum UN-Zivilpakt bei, ein völkerrechtlicher Vertrag, der auf die völlige Abschaffung der Todesstrafe  abzielt. Doch keine drei Jahre danach wurde erneut der Ruf nach der Todesstrafe laut. Liberia wurde von der schlimmsten Gewaltwelle seit Ende des Bürgerkrieges 2003 heimgesucht. Eine Reihe brutaler Morde sorgten für Entsetzen. Am 6. Mai 2008 schlug das Repräsentantenhaus vor, das Strafgesetz zu ändern. Danach sollen Angeklagte künftig zum Tode durch Erhängen oder zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, wenn sie sich des bewaffneten Raubüberfalls, Terrorismus oder Entführung mit Todesfolge schuldig machen. Die Gesetzesänderung wurde am 7. Mai 2008 im Repräsentantenhaus angenommen und passierte am 16. Juli 2008 auch den Senat. Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die das Gesetz mit ihrem Veto hätte aufhalten können, unterzeichnete es am 22. Juli 2008 und verlieh ihm damit Rechtskraft. Die Staatschefin sagte in einer Stellungnahme, sie habe auf den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit reagiert, eine Antwort auf die zunehmende Gewaltkriminalität zu finden.

Amnesty International verurteilt diese Entscheidung scharf. Die Organisation fordert die liberianische Regierung dringend auf, ihre Verpflichtungen aus internationalen Verträgen zur Abschaffung der Todesstrafe zu respektieren. Der sicherste Weg, um Kriminalität zu bekämpfen, ist die Stärkung der Strafrechtspflege und der Fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden – und nicht die Anwendung der Todesstrafe, die noch nie gezeigt hat, dass sie besonders abschreckend wirkt. Auch die französische EU-Ratspräsidentschaft kritisierte die Gesetzesinitiative als „ein extrem beunruhigendes Zeichen, das einer seit vielen Jahren zu beobachtenden Entwicklung in Afrika und der Welt zuwiderlaufe“. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen äußerte sich ebenfalls besorgt.

Nur sieben der 53 Staaten Afrikas haben im Jahr 2007 Todesurteile vollstreckt. Die letzte Hinrichtung in Liberia fand in den 1980-er Jahren statt.

Amnesty International, Koordinationsgruppe gegen die Todesstrafe, 07. August 2008